Manch einer mag ihn langweilig finden, aber eigentlich ist der Volkswagen Passat eines: ein hervorragendes Reise-Fahrzeug. Und langweilig ist er in der gefahrenen R-Line Edition nun wirklich nicht. Für den Drive Check waren wir im Rhein-Main-Gebiet unterwegs und haben uns den frisch gelifteten Volkswagen Passat einmal genauer angesehen. Als Motorisierungen standen ein 2.0 TDI, ein 2.0 TSI und der Passat GTE zur Verfügung. Und Abfahrt!
Volkswagen Passat Variant Fahrbericht Test Review
Der Volkswagen Passat ist 4,77 m lang, misst mit Außenspiegeln über 2,08 m an Breite und ist 1,52 m hoch – wie langweilig. Natürlich sind die reinen Abmessungen wenig spannend. Was aber erstaunt, ist wie adrett, sportlich und dynamisch das Facelift des Volkswagen Passat daherkommt. Besonders das auf 2.000 Exemplare limitierte Sondermodell Volkswagen Passat R-Line Edition, das in Mondstein-Grau ein wenig an Audi erinnert. Ganz gleich, welche Assoziationen aufkommen mögen: In dieser Linie fällt der Variant auf und wirkt sehr hochwertig.
Für schicke Kontraste sorgt die Kombination mit Schwarz, dass sich an vielen Stellen wiederfindet. So etwa am Kühlergrill, an den Felgen, Zierleisten und Außenspiegeln. Zudem sind das Dach und die Dachreling in schwarz gehalten – das streckt die Linie nochmals. Als Räderwerk setzen die Wolfsburger bei der R-Line auf hübsch anzusehende 19-Zoll-Felgen mit schmalen Speichen.
Hinten zeigt sich der mittige Passat Schriftzug als Neuerung, der allerdings etwas eingezwängt wirkt. Immerhin kann man die Badges kostenlos abwählen. Ansonsten glänzt das Heck mit Schnörkellosigkeit: Ein dezenter Dachspoiler hier, LED-Rückleuchten dort – hier passt alles. Dazu die R-Line Heckschürze, die keine Endrohre beherbergt, fertig. Und chic!
Optisch hat sich im Interieur wenig getan. Man greift in der R-Line Edition – verständlicherweise – zu einem R-Line-Lenkrad, das allerdings etwas mit Tasten überfrachtet ist. Hier sind der Tempomat, die Lautstärkeregelung und Steuerung von Assistenten ebenso untergebracht, wie die Aktivierung der Lenkradheizung. Nach kurzer Zeit ist man aber eins mit dem Volant.
Was dem geneigten Passat-Freund auffällt, ist die Abwesenheit der analogen Uhr in der Mittelkonsole. Das ist ein wenig schade, passt aber nicht mehr zum sonst so modernen und digitalen Volkswagen Passat. An ihrer Stelle findet sich nun ein Warnblink-Schalter und ist dort nicht nur bestens sichtbar, sondern auch erreichbar.
Schaltet man die Zündung ein, fährt ein (aufpreispflichtiges) Head-Up Display auf einer zusätzlichen Scheibe empor – ob diese Lösung 2019 noch sein muss? Immerhin ist dieses Feature sehr nützlich, egal wie es ausgeführt ist.
Dominiert wird der Innenraum der R-Line von Schwarz: Sowohl der Dachhimmel, wie auch die Teppiche und (Leder-)Polster des gefahrenen Passats sind im dunklen Farbton gehalten. Das wirkt zwar etwas düster, schafft aber einen sehr hochwertigen Eindruck. Dazu kommt, dass man nun mehr Oberflächen in Metall-Finish verbaut und das Ausmaß an Klavierlack minimiert hat – Fingerabdrücke ade!
Löblich ist, dass die Gurthöhenverstellung nicht dem Rotstift zum Opfer fiel – ein häufig anzutreffendes Phänomen. Und so findet der Fahrer im gelifteten Volkswagen Passat auf den vielfältig einstellbaren Sitzen schnell eine optimale Sitzposition. Natürlich sieht es bei den Platzverhältnissen, genauso wie zuvor, bestens aus: Zu viert reist es sich auf einer 1.000km-Strecke bestens. Dazu kommt ein Kofferraumvolumen von 650 – 1.750 Litern – das reicht locker für den Familien-Urlaub oder das komplette Sortiment an Mustern des Handlungsreisenden.
Damit dem Smartphone nicht der Saft ausgeht, finden sich im Innenraum drei USB-C-Anschlüsse. Außerdem funktionieren Apple CarPlay und Android Auto „over the air“ – also endlich ohne störendes Kabel. Das Smartphone des Fahrers kann, entsprechende Funktion beim Endgerät vorausgesetzt, induktiv laden und liegt in der entsprechenden Ladeschale. Was ein wenig fehlt, ist – und es ist mir durchaus bewusst, dass ich gerade nach der winzig kleinen Nadel im Heuhaufen suche – ein Brillenfach. Von der Praktischen Seite zeigt sich der Wolfsburger mit einem 220 Volt- und 12-Volt-Anschluss im Fond. Hier wartet außerdem einer der USB-C-Anschlüsse.
Auf Top-Niveau rangiert das 9,2-Zoll-Infotainment im Volkswagen Passat. Nicht nur die Sprachbedienung ist ausgereift und reagiert auf „Hallo Volkwagen“ oder Siri/Google, sondern auch die sonstige Bedienung. Dass ein Drehregler für die Lautstärke weiterhin fehlt, soll dennoch erwähnt sein. Neben der regulären Bedienung über Touch und Sprache, steht auch eine Gestensteuerung bereit. Lauter/leiser lassen sich hiermit aber auch nicht regeln.
Durchdacht ist das Ladeabteil des Mittelklasse-Kombis. Über elektrische Heckklappen und deren Sinn wollen wir hier nicht diskutieren. Wohl aber über die Unterbringung des Warndreiecks: Warum wählen nicht alle Hersteller die Lösung auf der Innenseite der Heckklappe? Hier ist es weder verräumt noch versteckt – optimal gelöst im Volkswagen Passat. Hinzu kommt ein cleveres Ladegut-Befestigungssystem, ein 12-Volt-Anschluss und das Vorklappen der Rücksitzlehnen via Knopfdruck. Taschenhaken links und rechts runden den positiven Gesamteindruck ab.
Unter der Haube – die übrigens per Haubenlift öffnet – waren in den von uns gefahrenen Varianten ganz unterschiedliche Aggregate installiert. Da wäre als erster der 2.0 TSI mit 200 kW/272 PS und Allrad 4Motion. Dank des 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebes spurtet der Volkswagen Passat mit diesem Aggregat binnen 5,8 Sekunden auf 100 km/h und ist maximal 250 km/h schnell. Das war einmal Luxus-Limo-Gebiet. Den angegebenen Verbrauch von 7,1 Liter laut WLTP schafft man beim Ausloten des dynamischen Potenzials nicht. Bei normaler Fahrweise lässt sich eine Sieben vor dem Komma aber tatsächlich umsetzen. 350 Nm Drehmoment ab 2.000 U/min ermöglichen zudem ein souveränes Fahrgefühl.
Der nächste Kandidat, den wir erfahren durften, war der 2.0 TDI mit 140 kW/190 PS – die optimale Wahl für Autobahn-Vielfahrer. Selbst bei dynamischer Fahrweise waren 5,5 Liter im Durchschnitt machbar – ohne Probleme. Für die 4,6 Liter Durchschnittsverbrauch gemäß NEFZ muss man sich hingegen anstrengen. Die Fahrleistungen sind dabei über jeden Zweifel erhaben. Oder gibt es an 232 km/h Höchstgeschwindigkeit und einer Spurtzeit von 7,9 Sekunden auf 100 km/h etwas auszusetzen?
Der Dritte im Bunde war der Volkswagen Passat GTE – wie gehabt ein PHEV, also ein Plug-In Hybrid Electric Vehicle. Dieser kann an der heimischen Steckdose oder beim Arbeitgeber geladen werden und soll eine rein elektrische Reichweite von bis zu 55 km ermöglichen. Natürlich lädt das System auch während der Fahrt. Als Systemleistung sind weiterhin 160 kW/218 PS angegeben, die von einem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe sortiert werden. In zügigen 7,4 Sekunden spurtet der Variant auf 100 km/h und ist maximal 130 km/h schnell. Was? Ja! Wenn man im elektrischen Modus unterwegs ist. Es sind allerdings 225 km/h, wenn alles Systeme ineinandergreifen.
Auf der sauberen Seite ist man mit dem neuen Volkswagen Passat obendrein. Alle Verbrenner sind mit Benzin-Partikelfiltern ausgerüstet, die Diesel ohnehin mit einem Partikelfilter und zusätzlichem SRC-Kat. Unterm Strich steht entsprechend eine Euro 6d-Temp-Einstufung.
Wer Überraschungen erwartet, kann diesen Part direkt überspringen. Der Volkswagen Passat fährt auch nach dem Facelift ausgewogen und satt. Daran ändern auch die verschiedenen Fahrmodi (Eco, Normal, Sport, Comfort und Individual) nichts. Und das hat durchaus seinen Grund: Der Passat ist Deutschland Flotten-Fahrzeug Nr. 1 und wird sicherlich niemanden mit Überraschungen vergraulen.
Gefallen haben uns der Einparkassistent mit 360-Grad-Kamera sowie der Travel-Assist. Jener kann Geschwindigkeiten von Verkehrsschildern übernehmen, drosselt in engen Kurven das Tempo und macht dies sogar vom gewählten Drive-Mode abhängig – fast schon gespenstisch. Auf der unbegrenzten Autobahn sind der Abstand und das Tempo frei wählbar. Im Stau können die Hände obendrein vom Lenkrad genommen werden, was wirklich entspannend sein kann. Nur eine Rettungsgasse bildet er Volkswagen Passat nicht, was daran liegt, dass das Fahrzeug nicht weiß, was hinter der Seitenmarkierungslinie ist – ein Sicherheitsaspekt also.
Der Travel-Assist ist aber nicht frei von Fehlern: So erkannte das System bei einer zügigen Autobahnfahrt das Tempo-Schild einer Abfahrt und leitete eine harte Bremsung ein – nicht ganz ungefährlich. Fehlerfrei zeigen sich aber die anderen, entscheidenden Parameter: Die Lenkung agiert leichtgängig, aber präzise, geizt allerdings etwa mit Rückmeldung. Hinzu kommen fein dosierbare Bremsen, beim GTE verschiedene Rekuperationsstufen, ein harmonisch arbeitendes 7-Gang-DSG, das die Schaltwippen nahezu unnötig macht sowie Diesel mit hervorragenden Verbrauchswerten. Zu guter Letzt zeigt sich das Fahrwerk sehr schluckfreudig – Langstreckenherz, was willst du mehr?
Als 1.6 TDI startet die Volkswagen Passat Limousine in der Basis-Ausstattung bei 34.720 Euro. Für den weit verbreiteten Variant werden rund 1.100 Euro mehr fällig. Soll es der 2.0 TDI mit 140 kW/190 PS sein, werden mindestens 42.015 Euro fällig, als 4Motion kommen nochmals 2.200 Euro hinzu. Der stärkste Diesel mit 176kW/240 PS knackt mit 51.270 Euro in der Elegance-Ausführung die 50.000-Euro-Marke.
Gleiches gilt für den 2.0 TSI mit 200 kW/272 PS: 50.400 Euro werden fällig. Interessant, wenn die Pendelstrecke nicht zu lang ist, könnte der Passat GTE für 45.810 Euro sein. Insgesamt erwischt man sich beim Lesen der Preise aber mit einem verzogenen Gesicht: Autsch! Die Preise dieses Wagens sind vom „Volk“ so weit entfernt, wie die USA aktuell von China. Überlegen sollte man sich den GTE nicht nur aus umweltpolitischen Gesichtspunkten, sondern auch, weil er mit 0,5 % im Leasing läuft – da bleibt dann etwas Luft für Extras.
Ja, es ist nur ein Facelift. Und das ist – wenn man ehrlich ist – nur in der R-Line gut erkennbar. Ansonsten gibt sich der Volkswagen Passat eher unscheinbar. Macht aber auch nichts, schließlich sieht der Wolfsburger weiterhin attraktiv aus und hat seine Tugenden weiter geschliffen. Da wären etwa neue Assistenzsysteme, wie der Stauassistent und der Travel-Assist.
Außerdem bietet das Portfolio für jeden etwas – sowohl bei den Ausstattungen, wie auch bei den Antrieben. Nur bietet sich der Volkswagen Passat nicht für jeden Geldbeutel an. Das Mittelklasse-Modell ist wirklich teuer. Dafür bekommt man wiederum ein sehr reifes Früchtchen aus dem bunten Mittelklasse-Obstkorb, das obendrein hohe Qualität und viel Platz bietet. Aber das tut ein Skoda auch…
Zuletzt aktualisiert: Juli 2019
Jens Stratmann
Automobil-Journalist
Baujahr 1979, technisch im einwandfreien Zustand! Nach einer Ausbildung und über elf Jahren Erfahrung im KFZ-Bereich, machte Jens seine Passion zu seinem Beruf. Jens schreibt Beiträge über Neu- und Gebrauchtwagen, die auf persönlichen Erfahrungen und Fahrtests zu dem jeweiligen Auto basieren.
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