Rifter? Ja, ganz recht: Rifter! Da klingelt es nicht? Das verwundert wenig, hieß der Peugeot Kastenwagen oder Hochdachkombi bislang Partner. Nun also Peugeot Rifter – und genau den nehmen wir im Drive Check unter die Lupe. Ist der seit 2018 erhältliche Rifter ein treuer Partner oder nur beliebiger Einheitsbrei mit seltsamem Namen? Und kann die Klasse der Kastenwagen überhaupt chic sein? Das wollen wir klären!
Peugeot Rifter Fahrbericht Test Review
Chic? Muss ein Hochdachkombi chic sein? Ist doch schließlich ein Nutzfahrzeug, oder? Befördert Medikamente in Apotheken, Kleingüter durch die Stadt oder dient Nashörnern bei der Paarung? Ok, das war nun etwas gemein, zugegeben. Und der Akt mit dem Nashorn ging seinerzeit auf die Kappe des Renault Kangoo. Aber genau hier liegt der Umbruch in der Klasse der Kleintransporter bzw. Kastenwagen. Mit dem Renault Kangoo wurden sie etwas ansehnlicher und stellten den Nutzwert zwar in den Vordergrund, nahmen sich aber nicht mehr so ernst.
Das war eine Eigenschaft, die der Peugeot Partner nicht für sich verbuchen konnte. Der auf dem Citroen Berlingo basierende Kastenwagen war praktisch – kein Zweifel.
Aber er war auch langweilig. Volkswagen Caddy-Fahrer wissen vielleicht, wovon hier die Rede ist. Der aktuelle Peugeot Rifter ist da etwas anders. Klar, er vertraut ebenfalls auf die klassische Formensprache, die das Konzept schließlich vorgibt. So misst er als L2 – also als Variante mit langem Radstand – stattliche 4,75 m in der Länge und ist mit Dachreling 1,88m hoch. Ein Kastenwagen eben. Inklusive Außenspiegeln kann es mit 2,11 m in Baustellen auf der linken Spur jedoch zu eng für den Franzosen werden.
Der Peugeot Rifter schafft es aber, etwas Pfiff in das Segment zu bringen und Design-Elemente von SUV einzubringen. Etwa mit der ringsum verlaufenden Kunststoffbeplankung. Nicht falsch verstehen: Die Kunststoffteile lassen keinen Eindruck von Nutzfahrzeug aufkommen. Die gesamte Frontschürze aus schnödem Plastik? Nee, nur teile davon! Dazu ein angedeuteter Unterfahrschutz am Bug und Heck und der böse Blick – so mag man Hochdachkombis gern ansehen. Natürlich kommen die praktischen Elemente dabei nicht zu kurz, wie die schwarze Dachreling oder die beiden Schiebetüren. Ob der Peugeot Rifter auch im Innenraum angenehm aus der Masse hervorsticht?
Wirklich herausstechen kann der Peugeot Rifter nicht, was den Innenraum anbelangt. Unter dem Strich baut der französische Kastenwagen nämlich auf Gleichteilen mit den Pendants von Citroen und Opel auf, was natürlich Produktionskosten spart. Für die Verarbeitungsqualität des Innenraums bedeutet das keinen Mangel. Ganz im Gegenteil: Der Peugeot Rifter wirkt solide und routiniert zusammengebaut. Andererseits gibt es unverkleidete Sitzkonsolen an der Rückbank. Außerdem lassen die durchweg nicht unterschäumten Kunststoffe Hochwertigkeit vermissen. Knarz- und Knackgeräusche sind entsprechend keine Seltenheit.
Bei der Ergonomie gibt es nichts zu meckern. Ungewöhnlich ist die Anordnung der Instrumente oberhalb des kleinen Lenkrads zwar zunächst, dennoch gewöhnt man sich schnell daran. Außerdem wird der Fahrer so weniger vom Verkehrsgeschehen abgelenkt. Wenig Rätsel gibt die restliche Bedienung auf. Die Klimasteuerung erfolgt intuitiv, der Umgang mit dem Infotainment ist ebenfalls schnell verstanden. Gut: Auch der mittige Touchscreen ist weit oben angeordnet. Darüber hinaus, und das ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr, verfügt das Infotainment über einen Drehregler für die Lautstärke, den man blind bedienen kann.
Sogar die Ausstattung des Infotainments ist ab Werk bereits gut. So bietet der Peugeot Rifter ein Radio sowie einen USB- und AUX-Anschluss und eine Bluetooth Freisprecheinrichtung. Im gefahrenen Exemplar war die Konnektivität dank Apple CarPlay und Android Auto zudem auf aktuellem Stand. Sein Smartphone kann man derweil induktiv laden.
Doch was zählt bei einem familientauglichen Hochdachkombi am meisten? Klar: Platz, Platz, Platz und Komfort, Komfort, Komfort. Die erhöhte Sitzposition steigert den Einstiegskomfort, lässt gleichzeitig viel Platz, selbst für groß Gewachsene zu. Außerdem sind die Vordersitze bequem, wenn auch weich gepolstert. Beide sind mit je einer eigenen Armlehne ausgerüstet und geben dadurch etwas Seitenhalt, da man sich auf ihr in Kurven abstützen kann. Sonstiger Halt ist nicht das Metier des Gestühls. Unschön ist die nicht vorhandene Gurthöhenverstellung.
Der Platz in der zweiten Reihe, vor allem für die Beine, wird ab einer Körpergröße von etwa 1,85 m knapp, während die Kopffreiheit großzügig ausfällt.
Zudem fallen die Fondsitze recht weich und dazu schmal aus, was vor allem die Beförderung von Kindern nahelegt. Die dritte Sitzreihe ist ebenfalls nur für Knirpse geeignet, hier fehlt es schlicht an Knie- und Beinraum.
Der Zugang zur zweiten Sitzreihe ist dank zweier Schiebetüren ein Leichtes. Selbst enge Parklücken verlieren ihren Schrecken. Das Fehlen eines Mitteltunnels erleichtert darüber hinaus das Durchrutschen. Schwierig wird hingegen der Zugang zur dritten Sitzreihe, die am besten über den Kofferraum erreichbar ist. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die zweite Sitzreihe nicht mit einer Einstiegshilfe ausgerüstet ist.
Das Platz-Thema erledigt sich beim Gepäckraum. Eingeständnisse? Keine Spur! Zwar könnten die 615 kg Zuladung etwas üppiger ausfallen und auch das Ladevolumen bei voller Bestuhlung mit sieben Sitzen größer sein (214 Liter). Doch wie oft nutzt man diese Möglichkeit? Vermutlich eher selten. Bei entfernter dritter Sitzreihe ist der Laderaum wirklich großzügig: 870 Liter warten auf großes Ladegut. Maximal können sogar bis zu 4.000 Liter eingeladen werden – Wahnsinn! Und damit man gut an kleine Teile gelangt, kann die Heckscheibe geöffnet werden.
Ein sicherer Begleiter ist der Peugeot Rifter obendrein. Auf ESP muss man ebenso wenig verzichten, wie auf einen Abstands- und Kollisionswarner, einen City-Notbremsassistenten mit Fußgängererkennung, einen Tempomaten mit optionaler Abstandregelung, sowie auf eine Verkehrszeichenerkennung oder einen Spurassistenten. Vorbildlich!
Einheitsbrei mag beim Äußeren vielleicht passé sein, unter der Haube findet sich aber ein ganz gewöhnlicher Vierzylinder-Diesel mit 1.5 Litern Hubraum. Und das ist auch kein Drama, schließlich erfüllt der Selbstzünder die aktuelle Euro 6d-temp Abgasnorm. Und dank Turbolader generiert das Aggregat sogar recht muntere 96 kW/130 PS sowie 300 Nm bei 1.750 U/min.
Ist man schnell mit der 6-Gang-Handschaltung, stehen 100 km/h nach 10,6 Sekunden an. Maximal schafft der Peugeot Rifter 183 km/h – das reicht für solch ein Fahrzeug. Und wenn man den Hochdachkombi sinnig bewegt, geht sogar der Verbrauch mit rund 6,5 Litern/100km in der Realität in Ordnung. Die Werksangabe von 4,5 Litern im Schnitt ist leider wenig realistisch.
Ein Rennwagen ist der Peugeot Rifter natürlich nicht. Das dürfte auch niemanden wundern. Dennoch gehen die Fahrleistungen für diese Fahrzeuggattung vollkommen in Ordnung. Ambitionen, den Peugeot Rifter sportlich zu bewegen, werden aber nicht gefördert. Dafür ist die Feder-Dämpfer Abstimmung zu kommod. Das Fahrwerk ist sogar so gemütlich abgestimmt, dass die Karosserie hier und dort schon mal nachschwingen kann. Auch Seitenneigung ist für den Peugeot Rifter kein Fremdwort. Andererseits spricht die Hinterachse bei Unebenheiten recht hölzern an. Ein Übel, das alle Hochdachkombis eint. Beim Peugeot Rifter kommt hinzu, dass die Lenkung typisch französisch ausfällt und sehr leichtgängig operiert. Im Alltag erleichtert das natürlich das Parken und macht das Fahren sehr komfortabel. Wenig Sportlichkeit lässt darüber hinaus das Getriebe aufkommen, das auf langen Wegen geschaltet werden will. Ein Sportler ist der Peugeot Rifter also nicht, wohl aber ein komfortabler Alltagsbegleiter.
Beim Preisniveau lässt sich Peugeot nicht lumpen. Zwar wirken die 21.870 Euro der Basisausstattung noch günstig – vor allem in Anbetracht der umfangreichen Sicherheits- und Komfortausstattung. Alles Nötige ist an Bord, von der Klimaautomatik bis hin zum Radiosystem. Der gefahrene Rifter kam jedoch auf 33.340 Euro und kann das Familienbudget durchaus empfindlich strapazieren.
Hochdachkombis sind schnöde, langweilig und sehen alle gleich aus? Der Peugeot Rifter kann sich von diesem Phänomen freisprechen und gefällt mit seinem schicken Exterieur. Hinzu kommt der riesige Innenraum, der vor kaum einer Transportaufgabe scheitert. Dennoch wirkt er hier und dort etwas unausgegoren. So muss man den Tankdeckel immer noch mit dem Schlüssel öffnen – hallo 80er Jahre. Die verwendeten Materialien im Innenraum sind obendrein kein Ruhmesblatt, zeigen sich aber strapazierfähig und gut zu pflegen. Beste Eigenschaften also für eine Familie mit gesteigertem Platzbedürfnis!
Tipp
Tarif berechnenZuletzt aktualisiert: Februar 2020
Jens Stratmann
Automobil-Journalist
Baujahr 1979, technisch im einwandfreien Zustand! Nach einer Ausbildung und über elf Jahren Erfahrung im KFZ-Bereich, machte Jens seine Passion zu seinem Beruf. Jens schreibt Beiträge über Neu- und Gebrauchtwagen, die auf persönlichen Erfahrungen und Fahrtests zu dem jeweiligen Auto basieren.
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