Puh… länger hätte der Name aber auch wirklich nicht sein dürfen. Seat Leon: Das ist klar, das ist die spanische Mittelklasse. ST steht hier für Kombi, also die längere Karosserievariante mit großem Ladeabteil. Und jetzt wird´s interessant, denn der Zusatz Cupra steht auf dem Heckdeckel. Das steht für Cup Racing und schmückt nur die spanischen Modelle, die es wirklich faustdick unter der Haube haben. Das abschließende „R“ macht die Sache besonders würzig. Schauen wir uns den Seat Leon ST Cupra R doch mal genauer an.
Seat Leon ST Cupra R Fahrbericht | Test | Review
Der Seat Leon ST Cupra R misst 4,55 m in der Länge und ist damit knapp zwei Zentimeter kürzer als sein Konzernbruder, der Golf 7 Variant. Ein Opel Astra K Sports Tourer ist gut 15 cm länger – kümmert aber keinen, da es den Rüsselsheimer nicht als sportliches Derivat gibt. Dem Seat Leon ST Cupra R sieht man sein sportliches Talent hingegen auf den ersten Blick an.
Der in „Magnetic Grau“ lackierte Spanier geizt nicht mit dynamischen Reizen. Auffällig sind die verbauten schwarzen Applikationen am grauen Kombi allerdings nicht. Wohl aber die Styling-Elemente in Kupfer, die hübsch mit Anbauteilen in Sichtcarbon kontrastieren. Hier muss man allerdings genau hinsehen, da die Wahl eher dezent ausfiel, wie etwa an der Lippe. Hier herrschen die großen Lufteinlässe sowie die wirklich übel gelaunt dreinschauenden Voll-LED-Scheinwerfer vor.
Seitlich fällt der Hauch einer Tieferlegung fast gar nicht auf, wohl aber die große Brembo-Bremsanlage, die sich hinter den 19-Zoll-Leichtmetallfelgen hübsch präsentiert. Die schwarzen Außenspiegel sowie die gleichfarbige Dachreling fallen eher bei helleren Lackierungen auf. Am Heck zeigt der Seat Leon ST Cupra R wieder mehr Carbon: Hier sind die Dachkantenspoiler sowie der Heckdiffusor aus dem hübschen und leichten Material gefertigt. Natürlich fehlen auch hier der Kupferton am Logo sowie eine Auspuffanlage mit vier Endrohren nicht.
Fangen wir beim Innenraum direkt mit einem Negativpunkt an: Es gibt keine Gurthöhenverstellung – das gibt Abzüge in der B-Note, denn so lässt sich keine perfekte Sitzposition finden. Dabei spricht vieles dafür: Die Verstellmöglichkeiten des Sitzes und des Lenkrads sind großzügig und lassen sich an viele Staturen anpassen. Zudem ist das Lenkrad nicht überfrachtet, sondern lässt sich gut bedienen und ist zudem in Alcantara ausgeführt – sehr chic, sehr sportlich, sehr griffig. Wie chic das Lenkrad allerdings nach ein paar Monaten Nutzung aussieht…?
Apropos Sicht: Der Blick des Fahrers fällt auf digitale Instrumente, also auf ein virtuelles Cockpit. Das bietet verschiedene Ansichten und gibt sich modern. Zudem ist die Connectivity auf aktuellem Stand und bietet Apple CarPlay, Android Auto und sogar eine induktive Lademöglichkeit für das Mobiltelefon. Schade, dass die Spiegelung der Smartphone-Oberfläche noch nicht „over the air“, also kabellos funktioniert. So ist eine Verbindung per Kabel nötig. Da ist nicht hübsch, kann nervig sein, ist aber kein echter Mangel.
Was fällt noch auf, im Cockpit des Seat Leon ST Cupra R? Der Spanier gibt sich zurückhaltend, fast schon nüchtern. Gefällig wirkt der DSG-Wahlhebel, der ebenfalls mit Alcantara bezogen ist. Den Gang kann man übrigens auch per Schaltwippen am Lenkrad wechseln.
Ansonsten gibt sich der spanische Kombi alltagstauglich: Ablagen gibt es hier wie dort, die Türtaschen sind vielleicht etwas klein, die Materialien sind ordentlich ausgeführt, teilweise mattiert, teilweise in Kupfer lackiert und Fingerabdruck-empfindliche Materialien glänzen größtenteils durch Abwesenheit. Hinzu kommen die Seitenhalt-starken Vordersitze, die vielleicht sogar eine Spur zu eng sind. Vielleicht sollte ich auch einfach nur besser auf meine Ernährung achten…
Hinten engen die Schalensitze das Raumgefühl etwas ein, da ihre Rückseite sehr massiv wirkt. Objektiv gibt es am Platzangebot aber wenig auszusetzen. Die Beinauflage der Rücksitzbank ist allerdings kurz und die Sitzposition tief, was auf Dauer unbequem werden kann. Werden hier Kindersitze montiert, ist das weniger problematisch – Isofix gibt es auf den Außenplätzen der zweiten Reihe ohnehin. Die Kids werden sich zudem über zwei USB-Anschlüsse für ihr mobiles Endgerät freuen.
Wie es sich für einen guten Kombi gehört, bietet natürlich auch der Seat Leon ST Cupra R einen ordentlichen Laderaum: 587 bis 1470 Liter stehen bereit. Die Ladekante ist mit 68 cm Höhe obendrein recht rückenschonen. Für Kleinkram steht ein doppelter Ladeboden parat, der beim Cupra R allerdings einen Subwoofer beherbergt. Soll eine Kühlbox im Kofferraum transportiert werden, steht ein 12-V-Anschluss bereit. Praktisch, denn der Seat Leon ST Cupra R bietet sich als Transporter für beispielsweise hitzeempfindliche Medikamente bestens an – Verzurrösen und Gummi-Bänder zum Festziehen inklusive.
Warum das der Fall ist? Ganz einfach: Der im Volkwagen-Konzern bekannte 2.0 TSI leistet 221 kW/300 PS sowie 400 Nm und macht dem Seat Leon ST Cupra R ordentlich Beine. In 4,9 Sekunden geht es auf 100 km/h – Drive-Allradantrieb sei Dank. Das 7-Gang-DSG tut im Sport-Modus sein Übriges. Schluss mit dem druckvollen Vortrieb ist bei 250 km/h. Nicht schlecht für einen Kompaktkombi, der 1.545 kg schwer ist und eine Zuladung von knapp 500 kg verträgt.
Dass die Werksangabe von 7,1 Liter im Durchschnitt eigentlich nicht zu erfüllen ist – geschenkt. Wer Wind sät, wird Sturm ernten, heißt es. Und so ist es auch beim Seat Leon ST Cupra R: Bei zügiger Fahrweise stehen eherr 10 Liter im Mittel auf dem Bordcomputer. Wer es eilig hat, schafft auch 14 Liter. Dann ist der 50 Liter-Tank zügig leer – ups!
Zum Fahreindruck gibt es eigentlich nichts Überraschendes zu sagen: Der Motor schiebt mächtig nach vorn, obwohl er „nur“ 300 PS hat. Das ist heutzutage zwar immer noch ordentlich, aber bei Weitem nicht das Ende der Fahnenstange. Das DSG genehmigt sich im normalen Modus ab und an eine Gedenksekunde – das kann durchaus zu einem Augenrollen führen. Im S-Modus ist ein wesentlich besseres Ansprechverhalten zu verzeichnen.
Für verschiedene Ansprüche bietet der Seat Leon ST Cupra R eine Fahrprofilauswahl mit den Modi Comfort, Sport, Cupra und Individual. Cupra macht – natürlich – am meisten Spaß, führt aber auch zu einem erhöhten Verbrauch.
Egal in welchem Modus: Die Lenkung arbeitet immer präzise und direkt, die Bremse packt super zu und lässt sich fein dosieren und auch der Klang der Vierrohr-Auspuffanlage gibt sich grummelig, aber nicht störend. Hinzu kommt ein Fahrwerkssetup, das zwar straff ausfällt, aber richtig gut abgestimmt ist und auch im Alltag passt.
Ja, ein normaler Seat Leon ST kommt auf – sagen wir – 22.000 Euro. Mit etwas Ausstattung sind es schnell 28.000 Euro. Und der Seat Leon ST Cupra R? Hier werden stolze 56.000 Euro fällig. Dafür bekommt man eine mehr als reichhaltige Ausstattung, einen durchzugsstarken Antrieb und eine auffällig-sportliche Optik.
Ein Volkswagen Golf R Variant ist nicht günstiger, aber geräumiger. Ob der Wolfsburger hübscher ist, muss jeder selbst entscheiden. Wer auf etwa Leistung verzichten kann und eher den Nutzwert in den Vordergrund stellt, wird vielleicht mit einem Skoda Octavia RS glücklich.
Am Sonntagmorgen mit Ach und Krach die Landstraße zum Bäcker sezieren? In Windeseile Schwiegermutters Kommode vom Flohmarkt nach Hause shutteln? Montag bis Freitag die Kids zur Schule und sich selbst ins Büro befördern? Der Seat Leon ST Cupra R kann all das – wie kein zweiter. Er sieht bestechend gut aus, schiebt mit dickem Schmalz nach vorn und bietet dabei einen hohen Nutzwert. Das muss einem aber auch die Haushaltskasse erlauben. Und das Prestige, wie es vielleicht eine C-Klasse oder sogar ein Audi A4 mit potentem Motor haben, ist auch nicht so stark ausgeprägt. Ansonsten gibt es am schmackhaften Menü, das auf den Namen Seat Leon ST Cupra R hört, nicht viel auszusetzen.
Tipp
Tarif berechnenZuletzt aktualisiert: Juli 2019
Jens Stratmann
Automobil-Journalist
Baujahr 1979, technisch im einwandfreien Zustand! Nach einer Ausbildung und über elf Jahren Erfahrung im KFZ-Bereich, machte Jens seine Passion zu seinem Beruf. Jens schreibt Beiträge über Neu- und Gebrauchtwagen, die auf persönlichen Erfahrungen und Fahrtests zu dem jeweiligen Auto basieren.
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