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Pflegerecht

Schwerbehindertenausweis beantragen: Voraussetzungen, Ablauf und Vorteile

Viele Menschen mit einer Behinderung sind unsicher, wenn sie zum ersten Mal einen Schwerbehindertenausweis beantragen möchten. Oft ist unklar, welche Schritte erforderlich sind und welche Unterlagen benötigt werden.

In diesem Artikel erfahren Sie, wie das Anerkennungsverfahren einer Schwerbehinderung abläuft, welche Stellen zuständig sind und worauf Sie bei der Antragstellung besonders achten sollten.

Wer gilt als schwerbehindert?

Als schwerbehindert gelten Menschen, die voraussichtlich länger als sechs Monate durch körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen in ihrer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt sind.

Ob bei Ihrem pflegebedürftigen Angehörigen eine Schwerbehinderung vorliegt, hängt von den gesundheitsbedingten Einschränkungen ab. Der Amtsarzt des Versorgungsamtes beurteilt anhand der medizinischen Unterlagen und Diagnosen den Grad der Behinderung (GdB).

Grundlage für diese Einschätzung ist der sogenannte Grad der Schädigung (GdS), der in der GdS-Tabelle festgehalten ist. Diese Tabelle enthält Richtwerte dafür, wie stark körperliche oder psychische Schädigungen bewertet werden. Im Einzelfall kann der tatsächliche Wert jedoch abweichen, da die individuelle Lebenssituation stets berücksichtigt wird.

Die aktuelle GdS-Tabelle mit den offiziellen Richtwerten finden Sie auf der Website des Bundesministeriums der Justiz

Zur Gds-Tabelle

Voraussetzungen für einen Schwerbehindertenausweis

Nicht jede Person mit einer Behinderung hat automatisch Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis. Damit ein Antrag erfolgreich ist, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Grad der Behinderung (GdB): Der festgestellte GdB muss mindestens 50 betragen.
  • Wohnsitz oder Arbeitsplatz: Der Antragstellende muss in Deutschland wohnen oder arbeiten.

Liegt der GdB unter 50, können dennoch bestimmte Nachteilsausgleiche oder Vergünstigungen in Anspruch genommen werden. Einige besondere Rechte und Schutzvorschriften gelten jedoch ausschließlich für schwerbehinderte Menschen.

Darüber hinaus stärkt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das im August 2006 in Kraft getreten ist, die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Es soll Benachteiligungen im Berufsleben und im Alltag verhindern und die Gleichbehandlung sicherstellen.

Schwerbehindertenausweis beantragen

Der Grad der Behinderung (GdB) wird vom zuständigen Versorgungsamt oder dem Landesamt für soziale Dienste festgestellt. Der erste Schritt zur Anerkennung einer Schwerbehinderung ist die schriftliche Antragstellung bei dieser Behörde.

Nach Eingang des Antrags prüft das Amt die vorliegenden medizinischen Unterlagen oder veranlasst gegebenenfalls weitere ärztliche Begutachtungen. Anschließend werden die Unterlagen an den ärztlichen Dienst weitergeleitet, der den GdB festlegt und – falls zutreffend – die Merkzeichen bestimmt.

Den abschließenden Bescheid über den Grad der Behinderung und die festgestellten Merkzeichen erlässt schließlich das Versorgungsamt.

Zur Übersicht der Versorgungsämter

Vorteile eines Schwerbehindertenausweises

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr pflegebedürftiger Angehöriger Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis hat, sollten Sie einen Antrag beim zuständigen Versorgungsamt stellen. Dieser bringt verschiedene Vorteile und Vergünstigungen mit sich, zum Beispiel:

  • Eintritte: Viele Einrichtungen – etwa Kinos, Schwimmbäder oder Museen – bieten ermäßigte Eintrittspreise für Menschen mit Schwerbehindertenausweis.
  • Rundfunkbeitrag (GEZ): Eine Ermäßigung ist möglich, wenn eine Hör- oder Sehbehinderung vorliegt oder ein Grad der Behinderung von mindestens 80 besteht.

  • Frühere Rente (§ 236a SGB VI): Schwerbehinderte Menschen können – je nach Geburtsjahr – bis zu zwei Jahre früher in Altersrente gehen, wenn sie mindestens 35 Jahre Versicherungszeiten nachweisen.
  • Kündigungsschutz (§ 168 SGB IX): Eine Kündigung ist nur mit der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes zulässig.
  • Zusatzurlaub (§ 208 SGB IX): Schwerbehinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf fünf zusätzliche Urlaubstage bei einer Fünf-Tage-Woche.
  • Längerer BAföG-Bezug (§ 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG): Wird die Ausbildung wegen einer Behinderung verlängert, kann BAföG über die Regelstudienzeit hinaus gewährt werden.

Die Anerkennung einer Schwerbehinderung allein berechtigt nicht automatisch zum Parken auf einem Behindertenparkplatz. Einen blauen EU-Parkausweis erhalten nur Personen, die als außergewöhnlich gehbehindert (Merkzeichen aG) gelten oder bestimmte gleichgestellte Voraussetzungen erfüllen.

Menschen mit Behinderung sollten den Pflegegrad beantragen

Wer einen Schwerbehindertenausweis besitzt, erhält nicht automatisch einen Pflegegrad – und umgekehrt gilt das ebenso. Beide Einstufungen beruhen auf unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen und werden unabhängig voneinander geprüft.

In der Praxis besteht jedoch häufig ein Zusammenhang: Eine anerkannte Schwerbehinderung geht oft mit einem erhöhten Pflegebedarf einher. Deshalb kann es wahrscheinlich sein, dass auch ein Anspruch auf einen Pflegegrad (1–5) besteht.

Den Pflegegrad beantragen Sie bei der Pflegekasse der pflegebedürftigen Person. Da Schwerbehindertenausweis (§ 152 SGB IX) und Pflegegrad (§ 18 SGB XI) in verschiedenen Gesetzbüchern geregelt sind, müssen beide Anträge getrennt gestellt werden.

FAQs

Häufig gestellte Fragen zum Thema Schwerbehindertenausweis

Den Schwerbehindertenausweis beantragen Sie beim zuständigen Versorgungsamt beziehungsweise bei der Behörde, die nach Landesrecht für die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) zuständig ist (§ 152 Abs. 1 SGB IX).
Eine bundesweit einheitliche Behörde gibt es nicht – je nach Bundesland sind dies etwa die Kreisverwaltungen, Landratsämter oder Landesämter für soziale Dienste.
Über die Webseite der Integrationsämter finden Sie eine Übersicht aller zuständigen Versorgungsämter in Deutschland.

Zur Übersicht der Versorgungsämter

Der Schwerbehindertenausweis wird in der Regel für längstens fünf Jahre ausgestellt.

Wenn der Schwerbehindertenausweis befristet ist, kann er nach § 6 Abs. 2 SchwbAwV auf Antrag beim zuständigen Amt verlängert oder erneuert werden. Dazu ist in der Regel kein neues medizinisches Gutachten erforderlich, sofern sich die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht verändert haben. Die Verlängerung wird durch Eintragung eines neuen Gültigkeitsdatums auf dem Ausweis dokumentiert.

Ein unbefristeter Schwerbehindertenausweis kann gemäß § 6 Abs. 3 SchwbAwV ausgestellt werden, wenn eine Änderung des Gesundheitszustandes nicht zu erwarten ist. Das Amt darf jedoch jederzeit eine ärztliche Überprüfung der Behinderung oder des Grades der Behinderung (GdB) veranlassen (§ 152 Abs. 5 SGB IX). Kommt es zu einer Verbesserung der Beeinträchtigung, kann der GdB herabgesetzt oder der Ausweis widerrufen werden.

Um einen Antrag auf Schwerbehindertenausweis zu stellen, gibt es mehrere Möglichkeiten:

  • Sie fordern bei der zuständigen Behörde einen Antrag an. Sie verfassen ein formloses Schreiben und erhalten darauf ein Antragsformular zugeschickt.
  • Sie stellen den Antrag online. Viele Versorgungsämter bieten ihre Anträge bereits im Internet an.

Einen Antrag auf Schwerbehinderung zu stellen, ist in der Regel unkompliziert. Sollten Sie jedoch unsicher sein, können Sie auch bei Ihrem Versorgungsamt um Hilfe bitten. Alle wichtigen Diagnosen und Arztberichte sollten Sie zu diesem Gespräch mitnehmen. Diese sind wichtig, damit der zuständige Gutachter beim Versorgungsamt die Behinderung Ihres Angehörigen einschätzen kann.

Für die Beurteilung des GdB und der möglichen Merkzeichen benötigt das Versorgungsamt medizinische Nachweise.
Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich ein Lichtbild für den Schwerbehindertenausweis (§ 1 Abs. 1 SchwbAwV).
Darüber hinaus sollten Sie beifügen:

  • Ärztliche Befunde und Gutachten (Hausarzt, Fachärzte)
  • Krankenhaus- oder Reha-Entlassungsberichte
  • Laborbefunde oder frühere Gutachten anderer Behörden (z. B. Pflegekasse, Rentenversicherung)

Je vollständiger die Unterlagen, desto einfacher kann der medizinische Gutachter die Schwere der Beeinträchtigung und den Grad der Behinderung feststellen.

Mit einem gültigen Schwerbehindertenausweis und den darin eingetragenen Merkzeichen haben Menschen mit Behinderung Anspruch auf verschiedene Nachteilsausgleiche. Diese Nachteilsausgleiche können u. a. sein:

  • Unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr mit Wertmarke 
  • Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson 
  • Parkerleichterungen 
  • Rundfunkbeitrags-Ermäßigung 

Die Art der Vergünstigung hängt immer von den festgestellten Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis ab.

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Zuletzt aktualisiert: September 2025