Nicht immer stimmt die Pflegekasse einem gestellten Antrag auf Feststellung von Pflegebedürftigkeit oder Erhöhung des Pflegegrads zu. Zunächst sollten Sie Ruhe bewahren. Es kommt öfter vor als Sie denken, dass ein Erstantrag abgelehnt oder der erteilte Pflegegrad zu niedrig eingestuft wird. Wir zeigen Ihnen, wie Sie damit umgehen und welche Möglichkeiten Sie haben, Ihre Erfolgschancen bei einem Widerspruch an die Pflegekasse zu erhöhen.
Widerspruch Pflegegrad: Begründung, Frist & Einspruch leicht gemacht
Bei Ablehnung Ruhe bewahren und Mut zum Widerspruch haben
Auch wenn die Situation Sie und Ihren Angehörigen gerade belastet und der abgelehnte Antrag auf Pflegegrad oder die fehlerhafte Einstufung in einen Pflegegrad zusätzlich Unruhe schafft: Atmen Sie erst einmal durch und nehmen Sie sich etwas Zeit, um den Bescheid der Pflegekasse genau zu prüfen. Auch die Pflegekasse oder der medizinische Dienst können Fehler machen und beim genauen Hinsehen sind die Chancen eines Widerspruchs meist ganz gut.
Ausschlaggebend für die Entscheidung der Pflegekasse ist vor allem das Gutachten des medizinischen Dienstes. Dieser kann die Bedürftigkeit einer zu pflegenden Person aber selten so gut einschätzen, wie es Angehörige und Pflegende können. Setzen Sie deshalb genau da an: Prüfen Sie das Gutachten auf Unstimmigkeiten und Fehleinschätzungen.
Falls Sie das Gutachten nicht gemeinsam mit dem Bescheid erhalten haben, können Sie es bei der Pflegeversicherung anfordern.
Info zur Widerspruchsfrist: Für den Widerspruch gegen den Pflegegrad müssen Sie eine Frist beachten. Ab dem Zeitpunkt der Zustellung haben Sie genau einen Monat Zeit, um Ihren Widerspruch direkt an die Pflegekasse zu schicken.
Lohnt sich ein Widerspruch gegen den Bescheid?
Dass Pflegekassen einen Pflegeantrag ablehnen oder in einen zu niedrigen Pflegegrad einstufen, ist nicht selten. Oft ist der eingereichte Antrag unvollständig oder die Entscheidung über den Pflegegrad wurde vom Medizinischen Dienst oder MEDICPROOF falsch getroffen.
Welcher Pflegegrad nach gesetzlicher Vorgabe zusteht, soll durch die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst oder MEDICPROOF geprüft werden. Ist der Bescheid nach der Entscheidung zugestellt, können Sie mit einer Frist von einem Monat Widerspruch gegen die Einstufung direkt bei der Pflegekasse einreichen.
Ein Widerspruch lohnt sich, wenn
- es Zweifel an der Pflegebegutachtung oder am ermittelten Pflegegrad gibt
- der Antrag auf einen Pflegegrad abgelehnt wurde
Ein erfolgreicher Widerspruch gegen die Ablehnung verpflichtet die Pflegekasse zur rückwirkenden Zahlung von Versicherungsleistungen ab dem Zeitpunkt der ersten Antragstellung. Eine falsche Einschätzung wirkt sich negativ auf eine mögliche Unterstützung durch die Pflegeversicherung aus.
Wie ist der Ablauf des Pflegegrad Widerspruchs?
- Nach Zugang des Bescheids muss der Widerspruch innerhalb eines Monats formlos bei der Pflegekasse eingelegt werden.
- Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen.
- Oftmals veranlasst die Pflegeversicherung eine erneute Begutachtung.
- Die Pflegekasse hat 3 Monate Zeit um über den Widerspruch zu entscheiden. Sollte diese Frist überschritten werden, kann eine Untätigkeitsklage eingereicht werden.
- Wenn der Widerspruch erfolgreich war, versendet die Pflegeversicherung einen Abhilfebescheid und es werden rückwirkend die höheren Pflegeleistungen ausgezahlt.
- Sollte der Widerspruch nicht erfolgreich gewesen sein, dann kann man die Möglichkeit eine Klage beim Sozialgericht einzulegen.
Beim Widerspruch kommt es auf die Begründung an
Der medizinische Dienst erstellt sein Gutachten auf Basis von 64 Fragen. Die Antworten sollen die Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person beurteilen. Dabei werden je Frage Punkte vergeben. Je höher die Punktzahl insgesamt, desto höher fällt der Pflegegrad aus.
In der folgenden Tabelle sehen Sie, wie weit die von der Pflegeversicherung und vom medizinischen Dienst getroffene Bewertung vom nächsten Pflegegrad entfernt ist. So können Sie einschätzen, wie erfolgversprechend ein Widerspruch bei der Pflegekasse ist.
Vergleichen Sie die Bewertung des medizinischen Diensts mit Ihrer Einschätzung. So verschaffen Sie sich schnell einen Überblick, wo es ggf. zu Abweichungen kommt.
| Pflegegrad | Punkte | Beeinträchtigung der Selbständigkeit |
| Pflegegrad 1 | 12,5 bis 26,5 | gering |
| Pflegegrad 2 | 27 bis 47 | erheblich |
| Pflegegrad 3 | 47,5 bis 69,5 | schwer |
| Pflegegrad 4 | 70 bis 89,5 | schwerste |
| Pflegegrad 5 | 90 bis 100 | schwerste mit besonderen Anforderungen an pflegerische Versorgung |
Ausführlichkeit hilft: Seien Sie so genau wie möglich
Finden Sie Fehleinschätzungen, notieren Sie diese. Um den Widerspruch durchzusetzen ist es wichtig, dass dieser fachlich gut begründet ist. Schreiben Sie also genau auf, an welchen Stellen des Gutachtens die Selbstständigkeit noch zu positiv bewertet wird und begründen Sie, warum dies so ist. Schreiben Sie außerdem auf, an welchen Stellen und weshalb mehr Pflege notwendig ist.
Als Nachweis können Sie auch Auszüge aus Ihrem Pflegetagebuch mitschicken. Wichtig ist jedoch, dass ein Pflegetagebuch ab dem Zeitpunkt des Widerspruchs geführt wird, sonst wird nur der bereits begutachtete Tatbestand zu Grunde gelegt.
Den Widerspruch senden Sie an die Pflegekasse.
Behalten Sie die Widerspruchsfrist der Pflegekasse im Blick
Nur durch den Widerspruch allein liefern Sie der Pflegekasse keine neuen Tatsachen, die diese zu einer anderen Einschätzung des Pflegegrades veranlassen. Die Kasse hat sich bereits ein Bild von der Pflegesituation gemacht und sieht generell erstmal keinen Grund von einer veränderten Pflege- und Betreuungssituation auszugehen.
Zwar ist es Aufgabe der Pflegekasse, bei einem Widerspruch eine erneute Begutachtung (Für die sogenannte Widerspruchsbegutachtung hat die Pflegekasse 3 Monate Zeit) durchzuführen. Für diese Wiederholungsbegutachtung wird jedoch das alte Vorgutachten herangezogen. Teilweise findet die erneute Begutachtung sogar nur noch per Aktenlage statt.
Erst die Begründung des Widerspruchs liefert der Pflegekasse bzw. den Gutachtern überhaupt neue Umstände, die bei der erneuten Beurteilung berücksichtigen werden. Ob einer Anpassung stattgegeben wird, hängt also vom Umfang, der Formulierung und der ausführlichen Begründung ab.
Wenn Ihr Antrag auf Pflegegrad abgelehnt wurde oder Sie mit der Einstufung in einen Pflegegrad nicht einverstanden sind, sollten Sie Ruhe bewahren und Mut zum Widerspruch haben. Prüfen Sie den Bescheid und das Gutachten des Medizinischen Dienstes (MD) sorgfältig – Fehler kommen häufig vor.
Die Frist für den Widerspruch beträgt einen Monat ab Erhalt des Bescheids.
Der Widerspruch gegen den Pflegegrad muss schriftlich erfolgen und direkt an die Pflegekasse gesendet werden. Tipp: Reichen Sie den formlosen Widerspruch am besten per Einschreiben oder Fax ein, um den Versand nachweisen zu können.
Formlos schriftlich Widerspruch einlegen („Hiermit lege ich Widerspruch gegen den Bescheid vom … ein.“). Anschließend das Gutachten prüfen und eine Begründung nachreichen.
Wenn der Pflegegrad zu niedrig ist oder der Antrag abgewiesen wurde. Ein erfolgreicher Widerspruch führt zu rückwirkender Leistung ab dem ersten Antrag.
Beschreiben Sie konkret, wo das Gutachten fehlerhaft ist, warum mehr Pflege nötig ist. Belegen Sie dies mit Pflegetagebuch, Arztberichten oder Pflegenachweisen.
Die Pflegekasse hat 3 Monate Zeit. Danach kann eine Untätigkeitsklage eingereicht werden.
Eine Klage beim Sozialgericht ist möglich, lohnt sich aber selten. Besser: Neuen Antrag auf Höherstufung stellen – das geht jederzeit.
Zuletzt aktualisiert: September 2025