Von wegen Mini: Klein sind die Modelle der bayerisch-englischen Marke bei weitem nicht mehr. Das liegt nicht nur daran, dass Fahrzeuge heute viel unterzubringen haben – Sicherheitstechnik, Komfortextras, Stauraum – sondern auch daran, dass Mini mittlerweile SUVs und Kombis im Programm hat. Kombis? Ja genau! Der Mini Clubman ist so etwas, wie ein kleiner Kombi und war früher ein Lieferwagen. Was die aktuelle Generation kann und wie sie sich vom Vorgänger abhebt, klärt der Drive Check.
Mini Clubman Fahrbericht Test Review
Richtig mini, das haben wir oben geklärt, ist keines der Modelle der Anglo-Bayern. Stolze 4,25 misst der Viertürer und ist immerhin 1,44 m hoch. Für das berühmt-berüchtigte „Go-Kart-Feeling“, beim Fahren sorgt die, im Verhältnis zu den bisherigen Abmessungen, angenehme Breite von 1,80 m ohne Außenspiegel. Zum Vergleich: Ein Skoda Fabia Combi kommt auf 4,26 m Außenlänge, ist aber vier Zentimeter höher und etwa sieben Zentimeter schmaler. Wir fassen als zusammen: Der Mini Clubman möchte den Sportler unter den kleinen Kombis spielen.
Und das sieht man ihm auf den ersten Blick an. Der dezent neu gestaltete Kühlergrill wirkt zwar ein wenig wie ein zu einem herzhaften Lachen geöffneter Mund. Und auch die Kulleraugen – trotz optionaler LED-Funktion – wecken das Kindchenschema.
Doch die Lufteinlässe, vor allem ab dem Mini Cooper S mit dem mittigen Lufteinlass in der Motorhaube, deuten an, dass der Mini Clubman dynamische Gene in sich trägt.
Seitlich erweckt die gerade Linienführung ebenfalls einen sportlichen Eindruck und streckt den Clubman. Er macht tatsächlich den Eindruck eines Kombis, obwohl er eher den Volkswagen Golf im Visier hat. Oder sagen wir lieber, die Klientel, der ein Golf zu langweilig geworden ist. Jene wird sich vermutlich auch nicht mit den 16 Zoll bzw. 17 Zoll großen Serienfelgen (je nach Variante) zufriedengeben, sondern eher zu den bis zu 19 Zoll messenden Optionsfelgen greifen. 19 Zoll! Wahnsinn, bei einem Mini! Gar nicht so wahnsinnig ist das farblich abgesetzte Dach. Ganz im Gegenteil: Es ist typisch Mini und steht dem Mini Clubman sehr gut.
Am Heck erkennt man erst, dass der Anglo-Bayer gar kein Vier- sondern ein Fünftürer ist. So öffnet der Kofferraum nicht über eine große Heckklappe, sondern über eine rechts und links angeschlagene Tür. Praktisch ist das vielleicht nicht. Aber das waren die Scherentüren des Vorgängers auch nicht. Und so kommt noch ein wenig der Lieferwagen-Charme des Ur-Clubman auf. Eine Reminiszenz an die Heimat, bilden darüber hinaus die Rückleuchten im „Union Jack“ Design.
Bleiben wir doch gleich in Groß Britannien: Der Innenraum des Mini Clubman fühlt sich so hip und chic an, wie man sich als Festland-Europäer das coole Londoner Nachleben vorstellt. Passend dazu spendiert Mini ein Audiosystem mit sechs Lautsprechern in Serie und legt sogar einen 6,5 Zoll Touchscreen in den Pizzateller großen Tachometer. Wobei, das stimmt ja gar nicht mehr! Mini kokettiert nur noch mit der Idee, dass sich das Tachometer in der Cockpitmitte befindet. Hier sitzt nun die Infotainment-Bedienung inklusive Touchscreen und sehr gut positioniertem Warnblink-Schalter! Der zugehörige iDrive Controller wartet in der Mittelkonsole auf seinen Einsatz. Optional ist ein 8,8-Zoll-Infotainment erhältlich.
Eine Etage unter dem Infotainment sitzt die Klimasteuerung, darunter Kippschalter, die etwa die Start-Stopp-Funktion oder die Zündung steuern. Nicht wirklich praktisch, aber irgendwie cool! Zum Thema cool: wie eben erwähnt, kommt der aktuelle Mini Clubman mit vier gewöhnlichen Türen aus.
Das steigert seinen Nutzwert ungemein, reduziert aber irgendwie die Coolness. Ob das ein Tribut an die alternde Gesellschaft ist? Wie dem auch sei, der Platz hinter den Türen hat nichts mehr mit dem Attribut „mini“ zu tun. Vorn fühlt man sich auch als Großgewachsener gut aufgehoben – wenn auch gemütlich vom Cockpit und den Sitzen umschlungen. In Sitzreihe wird es – zumindest für Große – etwas eng für die Beine. An Kopffreiheit mangelt es hingegen nicht. Es sei denn man ordert das Panoramadach, dafür ist der Ausblick wirklich prächtig.
Etwas knapp ist vielleicht der Kofferraum bemessen. Zumindest kommt es darauf an, wie man den Mini Clubman sieht. Nimmt man ihn als Kompaktklasse-Alternative, sind die 360 bis 1.250 Litern durchaus ok – nicht ausschweifend, aber ok. Sieht man ihn als Kombi, sind die Werte enttäuschend. Der Skoda Fabia Combi? Zieht locker vorbei. Der ist aber auch kein Lifestyle-Premium-Schau-Mal-Ich-Bin-Hip-Kombi. Immerhin kann der Brite eine dreigeteilt umklappbare Rücksitzlehne in die Waagschale werfen.
Aber um Platz ging es in einem Mini nie so richtig. Sagt der Name ja auch schon. Nein, es ging um Fahrspaß. Und dazu tragen die Motoren entscheidend bei. Die Leistungsspanne reicht von 75kW/102 PS, mit denen das knackige und optional adaptive Fahrwerk restlos unterfordert ist, bis 141 kW/192 PS beim Cooper S. Da hat der Frosch schon eher die Locken – und zwar bayerische. Schließlich stammen die Aggregate von BMW. Optional ist sogar Allradantrieb für die sportlichen Motorisierungen erhältlich.
Die schwächeren Versionen sind mit einer Sechsgang-Handschaltung erhältlich, die angenehm knackig ausfällt, oder optional mit einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Für die heutige Zeit fast schon unorthodox ist, dass der Clubman auch mit Dieseln verfügbar ist. Und die passen auch noch richtig gut zum mittlerweile etwas weichgespülten Charakter des Mini. Der Cooper D, mit 110 kW/150 PS und optionaler Achtgang-Automatik ist ein sehr ausgewogener Antrieb. Der Cooper SD mit 140 kW/190 PS hat den Achtgang-Automaten serienmäßig. Das gilt auch für den 192 PS starken Cooper S. Ob es die sportlichen Speerspriten wirklich sein müssen?
Surprise! Die Speerspitze haben wir noch gar nicht erreicht. Jene wurde in Form des Mini Clubman John Cooper Works gerade erst vorgestellt. 306 PS quetscht BMW aus einem 2.0 Liter Vierzylinder , der obendrein 450 Nm ab 1.750 U/min entwickelt und somit eine Spurtzeit von 4,9 Sekunden auf 100 km/h ermöglich. Ok, der Sechstürer wiegt mittlerweile rund 1,5 Tonnen, sodass die Werte etwas zahmer wirken, als es die Papierform vermuten lässt. Dennoch, zahm ist der JCW, also der John Cooper Works, wirklich nicht. Und langsam auch nicht, schließlich ist erst bei 250 km/h Topspeed Schluss mit dem Vortrieb. Kugelblitz!
Preislich startet die Reise ins stylische England bei 24.300 Euro. Der Mini Cooper SD mit Allradantrieb liegt bei 36.550 Euro. In Anbetracht dessen, dass wir von einem Kompakten oder von einem kleinen Kombi sprechen, wirklich schmerzhaft. Erst recht, da Extras hier noch nicht einkalkuliert sind und Mini Optionsmeister ist. So ziemlich alles, was Spaß macht, geht extra. Aber das war bei Mini, seit die Marke im Jahr 2000 wiederbelebt wurde, schon immer so. Auch, wenn das die Sache nicht besser macht.
Irgendwie drängt sich beim Mini Clubman automatisch das Bild eines Fahrers/einer Fahrerin auf, die in Hamburg Eppendorf oder in Düsseldorf auf der Kö zu Hause ist. Mit Steppjacke ausgestattet und Weinkisten oder Einkaufstüten einer kleinen Boutique verladend. Die Preise des coolen Anglo-Bayern drängen dieses Bild auf.
Und doch: Dank der vier vollwertigen Türen eignet sich der Mini Clubman bestens, um einen oder zwei Kindersitze auf der Rückbank zu installieren. Hinzu kommt der Kofferraum, der durchaus mehr als nur einen Schuhkarton aufnimmt. Und auch das Fahrverhalten ist erwachsen geworden und hat sich vom zappeligen Kurvenräuber, hin zum Vollwert-Auto entwickelt. Die Frage ist nur, welches Alleinstellungsmerkmal der Mini dann noch hat? Schließlich kann man dann auch einen Golf kaufen und spart sich neben etlichen Euros auch jeglichen Sozialneid.
Tipp
Tarif berechnenZuletzt aktualisiert: Februar 2020
Jens Stratmann
Automobil-Journalist
Baujahr 1979, technisch im einwandfreien Zustand! Nach einer Ausbildung und über elf Jahren Erfahrung im KFZ-Bereich, machte Jens seine Passion zu seinem Beruf. Jens schreibt Beiträge über Neu- und Gebrauchtwagen, die auf persönlichen Erfahrungen und Fahrtests zu dem jeweiligen Auto basieren.
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