Es war einmal der ML. Der Begründer einer Klasse. Ach, das reicht noch nicht einmal: Der Begründer eines ganzen Segments. SUV, drei Buchstaben, die aus unserem Straßenbild und Auto-ABC nicht mehr wegzudenken sind. Dabei sind sie eigentlich genauso unnütz wie politisch unkorrekt. Aber sie sind auch praktisch, stattlich und luxuriös. Ganz besonders, wenn der neue Mercedes-Benz GLE vor einem steht, treffen die letzten beiden Attribute zu. Wir schauen uns einmal an, was das komplett neue Modell zu bieten hat.

Mercedes-Benz GLE 450 4MATIC Fahrbericht Test Review


Das Mercedes-ABC ist nicht immer ganz einfach – zugegeben. Aus dem ML, dem Urvater der SUV, ist der GLE geworden. An der Form oder am Zweck hat sich mit dem neuen Namen nichts geändert. Mit dem Modellwechsel allerdings schon: Der Mercedes-Benz GLE ist ein echter Prachtbursche geworden.
Dabei spricht er die neue Mercedes-Benz Design-Sprache und hievt die „Sinnliche Klarheit“, wie es die Schwaben nennen, auf eine neue Ebene. Sicken und Kanten glänzen fast vollständig durch Abwesenheit. Dafür überzeugt der Stuttgarter mit glatten Flächen und seiner schieren Größe. 4,93m Länge sind eine echte Ansage und entsprechen einem Plus von acht Zentimetern gegenüber dem Vorgänger. Das kommt natürlich dem Platzangebot im Innenraum zugute, doch dazu später mehr.
Trotz des Größenzuwachses wirkt der neue Mercedes-Benz GLE sportlich gezeichnet. Das wird durch das neue Markengesicht deutlich betont. Große Lufteinlässe, eine mittig hochgezogene Frontschürze, die wie ein zum Angriff klaffender, vorgeschobener Unterkiefer wirkt und die steile Frontgestaltung selbst – hier bestehen keine Zweifel an der Identität. Das vermag auch am klassischen ML- bzw. GLE-Design-Element liegen: der geschwungenen C-Säule. Seit Anbeginn, also seit 20 Jahren, zieht sie sich nun schon von hinten nach schräg vorn und wird wohl Erkennungsmerkmal Nummer eins bleiben. Die Rückleuchten hat der neue Mercedes-Benz GLE rein optisch hingegen von der Mercedes-Benz A-Klasse geerbt.

Man möchte es sich nicht wirklich eingestehen, schließlich hängt man an seinem juvenilen Habitus. Und alt sieht man doch wirklich nicht aus, oder? Klar könnte man einen bockharten Sportwagen jeden Tag fahren. Und dann stellt man fest, dass der leichte Einstieg auf Hüfthöhe wirklich komfortabel ist. Ebenso die Sitzhöhe und das bequeme Gestühl, das einen sogar den Wohlstand um die Hüften vergessen lässt. Dennoch: Halt bieten die Sitze, da gibt es kein Vertun. Sportsitze sind sie deshalb trotzdem nicht. Warum auch?
Sollte der Halt einmal abreißen, gibt es zwei Haltegriffe an der Mittelkonsole. Diese erinnern allerdings etwas an einen Zuffenhausener Mitbewerber – aber es bleibt wenigstens im Ländle. Verstecken braucht sich das Interieur des Mercedes-Benz GLE deshalb ebenso wenig, wie mit seiner schönen Verarbeitung und mit seinen hochwertigen Materialien.

Dazu kommt, dass es Fächer und Ablagen zur Genüge gibt. Außerdem – und das zeigt den Anspruch der amerikanischen Klientel – gibt es zwei präsente Cupholder. Auch hierzulande herzlich willkommen: Die üppigen Platzverhältnisse hinten. Ganz dem Zeitgeist entsprechend sind hinten zwei USB-Ladebuchsen sowie eine 230 V-Steckdose zu finden – die Always-On-Gesellschaft lässt grüßen. Was man außerdem immer gebrauchen kann, ist der schier riesige Kofferraum, der in der Grundkonstellation 850 Liter Ladevolumen bietet. Maximal sind es über 2.050 Liter.
Always on: Dazu passt das frisch in den 2019 Mercedes-Benz GLE gezogene MBUX hervorragend. Mercedes hat damit nicht etwa einen in der „Buchs´“, sondern ein System, das hochvernetzt den Alltagsnutzen steigert.

Beispielsweise der Stau-Assistenten, der dank Echtzeitverkehrsinformationen weiß, wo es stockt – noch vor dem Fahrer – und so ein Abbremsen bewirken kann, bevor eine Gefahr entsteht. Überhaupt: Assistenten bietet der neue GLE in Hülle und Fülle, weshalb wir uns auf zwei echte Schmankerl konzentrieren wollen – alle bekannten Assistenten bietet das SUV ohnehin. Da wäre zum einen der Rettungsgassen-Assistent, der das Fahrzeug im Fall eines Staus zum entsprechenden Fahrbahn-Außenrand lotst. Rettungsgasse vergessen? Damit nicht mehr möglich. Und sollte man sich im Gelände einmal festgefahren haben, schließlich verfügt der Mercedes-Benz GLE über den Allradantrieb 4MATIC, gibt es einen Freifahrmodus. Dank E-Aktive Body Control schaukelt sich das Auto frei – faszinierend. Ein fester Magen kann dabei aber nicht schaden. Eine gut gefüllte Brieftasche ebenso, da das Fahrwerk nur optional erhältlich ist und gut bezahl werden will.
MBUX, um nochmal darauf zurück zu kommen, bedeutet aber auch einen durchgehenden Bildschirm für das Infotainment und die Instrumente. Damit kann man, was die Bedienung anbelangt, so ziemlich alles machen, sogar anfassen. Per Taster, Touch oder sogar per Geste steuert man seine Lieblingsmusik, das Navi oder die Fahrzeugeinstellungen. Der Interieur-Assistent kann dabei zwischen Fahrer und Beifahrer unterscheiden. Sollten Sie also zwei wild fuchtelnde Passagiere im Mercedes-Benz GLE sehen: Keine Sorge, sie kämpfen vermutlich nicht, sondern gestikulieren einfach mit dem Infotainment.

Bei den Antrieben stehen zum Start ein Benziner und ein Diesel parat. Der Selbstzünder bildet hier den Einstiegt. Der Mercedes-Benz GLE 300d ist ein Vierzylinder-Diesel mit 500 Nm und 180 kW/245 PS – beachtlich für einen Vierzylinder. Vor nicht allzu langer Zeit waren das noch Werte eines Sechszylinders. Und auch die Fahrleistungen zeigen, auf dem Papier, in Richtung Sechszylinder: Auf 100 km/h geht es in 7,2 Sekunden, Schluss mit dem Vorwärtsdrang ist bei 225 km/h.
Mit sechs Zylindern – in Reihe wohlgemerkt – geht es im GLE 450 weiter. Der Beziner leistet 270kW/367 PS und 500 Nm. Und noch etwas hat der Ottomotor zu bieten: Das 48-Volt-Bordstromnetz mit Startergenerator senkt den Verbrauch und kann 22 PS sowie 250 Nm hinzu-„boosten“. Die Fahrleistungen sind entsprechend gut: Auf 100 km/h geht es in überschaubaren 5,7 Sekunden. Schluss ist bei politisch korrekten 250 km/h. Die 9G-Tronic, die beiden Antrieben gemein ist, lässt Schaltwechsel dabei fast unmerklich geschehen.

Der Start in die schöne Mercedes-Benz GLE-Welt liegt bei knapp 66.000 Euro. Das hätte man schlimmer erwartet? Nun, angesichts der Größe und der technischen Highlights sowie Innovationen kann man das durchaus sagen. Wer es aber schön haben möchte, der muss noch kräftig drauflegen. Ohne hier zu sehr ins Detail gehen zu wollen, darf ein Beispiel angeführt werden: Das E-Active Body Control-Fahrwerk, das noch eine Stufe über dem Luftfahrwerk angesiedelt ist, kostet über 7.000 Euro Aufpreis. Schluck!
Es fällt schwer, dem 2019 Mercedes-Benz GLE etwas vorzuwerfen. Mängel sind dem Stuttgarter völlig fremd. Er sieht bestechend gut aus, bietet Platz in Hülle und Fülle und kann technisch ein Feuerwerk abfeiern, das sich gewaschen hat. Geeignet ist er für alle, die den Platz und den komfortabel-hohen Einstieg zu schätzen wissen und mit dem neuen, glatten Mercedes-Design auffallen wollen. Kritisieren könnte man die Rundumsicht und ggf. die Aufpreispolitik, denn manche Extras lassen sich einfach nicht miteinander kombinieren.
Zuletzt aktualisiert: Januar 2019
Jens Stratmann
Automobil-Journalist
Baujahr 1979, technisch im einwandfreien Zustand! Nach einer Ausbildung und über elf Jahren Erfahrung im KFZ-Bereich, machte Jens seine Passion zu seinem Beruf. Jens schreibt Beiträge über Neu- und Gebrauchtwagen, die auf persönlichen Erfahrungen und Fahrtests zu dem jeweiligen Auto basieren.

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