Das ist er also, der Ford Edge! Dabei ist er gar nicht so eckig, oder? Edge bedeutet Ecke, aber damit fällt das große SUV gar nicht unbedingt auf. Edge bedeutet auch schlechten Empfang, aber auch damit möchte man den SUV von Ford nicht verknüpfen. Eher ist es seine Stattlichkeit, die ins Auge sticht. Im Test zeigt der Ford Edge Vignale, ob er Ecken und Kanten hat, die ihn sympathisch machen, oder ob er einfach nur ein weiterer Mitbewerber im Segment der größeren SUVs ist.
Test: Ford Edge Vignale
Allen voran, wenn man von der Seite schaut, wirkt der Ford Edge nicht so kantig, wie es der Name vermuten lassen würde. Die stark abfallende D-Säule lässt ihn im rückwärtigen Bereich sogar etwas Coupé-artig erscheinen. Ansonsten sticht das SUV mit seiner Bulligkeit hervor.
Da müssen sich seine Mitstreiter vom Schlage eines Kia Sorento, Hyundai Santa Fe oder DS7 Crossback schon warm anziehen. Keiner von ihnen schafft es so souverän und kraftvoll auf der Straße zu stehen.
Nun, der Ami – und das darf man hier sogar sagen, da der Edge nicht aus Köln, sondern aus Dearborn stammt – ist schon ein echter Hingucker. Wobei, so ein echter Ami ist er auch wieder nicht, da er in Kanada gefertigt wird. Bevor wir uns aber in Kleinigkeiten verlieren, wollen wir aber lieber zu großen Tatsachen kommen. Da wäre etwa der mächtige, sechseckige Kühlergrill des Ford Edge Vignale, der die Front im Test sehr präsent macht. Überhaupt: Der Bug wirkt wie aus einem Keil geschlagen, so steil steht die Nase im Fahrtwind. Daran ändert auch die extra-luxuriöse „Vignale“-Ausstattung nichts. Ja, damit fährt der Kanadier mit viel Chromzierrat vor. Weniger bullig wirkt er dadurch nicht. Selbst die serienmäßigen 20-Zoll-Leichtmetallfelgen wirken keineswegs überdimensioniert.
Stattlichkeit macht sich auch am Heck breit. Augenscheinlichstes Sinnbild dafür ist das durchgezogene Leuchtenband, das den Ford Edge noch weiter in die Breite zieht. Die beiden integrierten Auspuffrohre sind leider nur Blenden, machen sich im der Heckschürze mit integriertem Unterfahrschutz aber dennoch gut. Man sieht dem Ami direkt an, dass er nicht gerade agil ist.
Aber stimmt das wirklich? Steckt hier ein dicker und durstiger V8 unter der kantigen Haube? Schwammiges Fahrwerk und rückmeldungsarme Lenkung? Let´s see im Ford Edge Vignale Fahrbericht!
Öffnet man die Haube, zeigt sich die gar nicht amerikanische Seite des Ford Edge. Hier nagelt ein Vierzylinder-Diesel mit 2.0 Litern Hubraum das Lied der Sparsamkeit. Ui, das verwundert zunächst, passt mit einer Leistung von 210 PS, dickem Drehmoment von 450 Nm und der Ford PowerShift-Automatik aber bestens. Und so kann der Ford Edge Vignale im Test auch ganz unamerikanische 211 km/h auf die Straße bringen. Den Spurt auf 100 km/h erledigt das SUV in 9,4 Sekunden – das passt. Der 4×4-Antrieb sorgt dabei jederzeit für hohe Fahrsicherheit.
Nicht minder geeignet zeigt sich zweite Aggregat, das für den Edge erhältlich ist. Wer nun einen V8 erwartet, wird wieder enttäuscht.
Nein, auch hier sprechen wir von einem 2.0 Liter Diesel, der aber mittels Single-Turbolader „nur“ auf 180 PS kommt. Die Fahrleistungen sind kaum schlechter. Sogar der Verbrauch liegt bei beiden Aggregaten im Mittel bei 5,9 Litern auf 100 km. Da kommt klar die Frage auf, warum man dann überhaupt oben ins Regal greifen sollte. Berechtigt! Wer sich mit der guten Sechsgang-Handschaltung zufriedengeben kann, darf getrost zum schwächeren Antrieb greifen. Die Wahl der Automatik bedingt aber immer den stärkeren Selbstzünder.
Wir sind gerade so schön im Klischee-Dschungel unterwegs – machen wir doch direkt weiter. Amerikanische Autos sind im Innenraum billig und qualitativ minderwertig. Gähn – und wir Deutschen tragen ausschließlich Lederhosen und einen Tiroler Hut. Atze Schröder hätte wohl „ja nee, is klar?!“ gesagt. Um damit (endgültig) aufzuräumen, lohnt ein Blick ins Interieur des Ford Edge: Keine Spur von übler Plastikwüste. Ganz im Gegenteil, der Innenraum gefällt in der gefahrenen Vignale-Ausführung mit einer fetten Lederausstattung, die den Eindruck wahrlich luxuriös wirken lässt. Unter dem Leder versteckt sich dann natürlich Kunststoff – und wer genauer hinsieht, wird auch so Plastikteile finden.
Darüber hinaus stellt sich beim Platznehmen eine gewisse Übersicht positiv heraus. Alles ist logisch angebracht, sinnvoll angeordnet und gibt kaum Rätsel auf. Dazu zählt auch das 8-Zoll-Infotainment. Hier hat der Ford Vignale im Test nicht immer geglänzt, sondern hielt lange an einer Knöpfchenflut mit doppelt belegten Tasten und kleinen Bildschirmen fest. Das ist aber passé und ein modernes Infotainment mit zeitgemäßer Konnektivität verbaut.
Fürstliche gestalten sich aber nicht nur die Ausstattungsdetails, sondern besonders die Platzverhältnisse. Man wir auf ein sehr bequemes Gestühl in beiden Sitzreihen gebettet und hat reichlich Platz, um die Seele sowie die Gliedmaßen baumeln zu lassen. Ok, vorn könnten die Sessel mehr Seitenhalt bieten, aber das SUV ist auch kein Kurvenjäger. Nein, er ist der coole Criuser, der das Urlaubgepäck der Familie locker wegsteckt. Dafür stehen zwischen 602 bis 1.847 Liter Volumen bereit – mehr als ausreichend. Und wenn man beide Hände mit Koffern oder den Wochenendeinkäufen voll hat, reicht ein Wischen mit dem Fuß im Bereich unter der Heckklappe und jene schwingt wie von Geisterhand auf. Das ist jedes Mal aufs Neue ein spaßiges Unterfangen.
Ich bin den Ford Edge Vignale mit einem Durchschnittsverbrauch von 8,0 Liter auf 100 km im Test gefahren, damit ist er nicht gerade sparsam. Er fällt im Straßenverkehr auf, leider auch durch seinen größeren Wendekreis, welcher gerade beim Einparken nicht unbedingt ein Vergnügen ist. Die Lenkung ist leichtgängig, das Fahrwerk komfortabel. Was mich allerdings richtig gestört hat, war der adaptive Tempomat, welcher in langgezogenen Autobahnkurven die Fahrzeuge auf der rechten Spur als „Hindernis“ erkannt und eine Bremsung eingeleitet hat. Der Spurhalteassistent, welcher auf Wunsch nicht nur warnt, sondern auch korrigiert spielt auch zwischen den weißen Linien Ping Pong und beim Infotainmentsystem hat mich gestört, dass ich nicht via Apple Car Play meine Musik hören kann und gleichzeitig auf das Navi von Ford zugreifen kann, ich musste in dem Fall über Apple Car Play navigieren. Einen Umweg gibt es: Musik abspielen via Bluetooth, aber das ist ja nicht Sinn der Sache. Die Automatik überzeugt durch „amerikanisch-kanadische“ Gelassenheit und punkten kann der Edge auf jeden Fall durch sein üppiges Platzangebot vorne, hinten und im Kofferraum. Die LED-Scheinwerfer verfügen über eine intelligente Lichtautomatik, die macht einen richtig guten Job. Vor allem auf Landstraßen wird im Edge die Nacht zum Tag.
56.200 Euro kostet der gute Testwagen. Geht in Ordnung, oder? Wer jetzt dicke Backen macht, sollte kurz einhalten. Natürlich ist das eine ganze Stange schwer verdientes Geld. Aber wo man für diesen Preis sonst eine so luxuriöse Ausstattung inklusive Voll-LED-Scheinwerfern und hochwertiger Lederausstattung bekommt, ist fraglich. Zumal die Mitstreiter nicht günstiger, aber weniger konsequent sind. Für 52.700 Euro steht dazu die kaum schwächere, handgeschaltete Variante als Vignale in der Preisliste.
Für alle, für die es etwas mehr sein darf, die auf den bulligen Look stehen und die genug vom langweiligen Einheitsbrei haben, könnte der Ford Edge ein echter Volltreffer sein. Er ist kein Super-Schnäppchen, kommt aber mit außerordentlicher Ausstattung und konsequentem Luxus vorgefahren. Very tasty… und jetzt, wo das Facelift vom Ford Edge auf dem Genfer Autosalon 2018 vorgestellt wurde, werden sicherlich attraktive Angebote locken!
Zuletzt aktualisiert: November 2021
Jens Stratmann
Automobil-Journalist
Baujahr 1979, technisch im einwandfreien Zustand! Nach einer Ausbildung und über elf Jahren Erfahrung im KFZ-Bereich, machte Jens seine Passion zu seinem Beruf. Jens schreibt Beiträge über Neu- und Gebrauchtwagen, die auf persönlichen Erfahrungen und Fahrtests zu dem jeweiligen Auto basieren.
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