Auffahren auf die Autobahn und Einfädeln in den Verkehr – je nach Verkehrslage ist das auch für erfahrene Autofahrer nicht immer ganz einfach. Welche Regeln gelten eigentlich bei Autobahnauffahrten? Wie schnell darf man fahren? Gilt hier das Reißverschlussverfahren? Was tun, wenn der Beschleunigungsstreifen nicht ausreicht? Wir sagen es Ihnen.
Richtiges Verhalten bei Autobahnauffahrten
Werfen wir zuerst einen Blick in die Straßenverkehrsordnung (StVO) und schauen, was sie zum Thema Autobahnauffahrten sagt.
Zunächst einmal besagt Paragraf 18 Absatz 3 der StVO, dass der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn Vorfahrt hat. Für die Autobahnauffahrt und den anschließenden Beschleunigungsstreifen bedeutet das: Autofahrer dürfen beim richtig auf die Autobahn Auffahren nicht drängeln, sondern müssen die Verkehrsteilnehmer auf der durchgehenden Fahrbahn gewähren lassen. Selbst, wenn das bedeutet, dass sie es nicht bis zum Ende des Beschleunigungsstreifens schaffen, auf die Autobahn aufzufahren.
Weiter heißt es im Paragraf 7a Absatz 2:
„Auf Autobahnen und anderen Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften darf auf Einfädelungsstreifen schneller gefahren werden als auf den durchgehenden Fahrstreifen.“ – Womit allerdings nicht geklärt ist, wie schnell „schneller“ bedeutet.
Wir halten fest: Auf einem Beschleunigungsstreifen darf rechts überholt werden, damit man sich fließend in den Autobahnverkehr einordnen kann. Und: Die durchgehende Fahrbahn hat immer Vorfahrt. Was sind weitere Probleme und Unsicherheiten rund um Autobahnauffahrten?
Der Einfädelungsstreifen ist ein Teil der Autobahnauffahrt. Dieser ist in der Regel etwa 250 Meter lang, verläuft parallel zur rechten Spur und mündet schließlich in sie ein. Der Streifen ermöglicht es den auffahrenden Fahrzeugen zu beschleunigen, damit diese sich nahtlos in den fließenden Verkehr auf den anderen Fahrbahnen einfädeln können. Im besten Fall haben Autofahrer am Ende der Beschleunigungsspur das Tempo des fließenden Verkehrs erreicht, um ohne größere Schwierigkeiten in die Autobahn einfahren zu können. Funktioniert dies nicht, kann es zu Staus und im schlimmsten Fall zu Unfällen kommen. Vermeiden Sie daher bei der Autobahn-Einfahrt unbedingt diese Fehler:
Fehler 1: Zu langsam einfädeln
Falls Sie unsicher sind und sich zu langsam oder zu zögerlich nach dem Reißverschlussverfahren einfädeln, stellt das eine Gefahr für andere Autofahrer dar. Sie zwingen diese nämlich dazu, stark zu bremsen oder leichtsinnige Ausweichmanöver auszuführen.
Fehler 2: Aus dem Stand auf die Autobahn auffahren
Dieses Manöver ist besonders gefährlich. Sie müssen – wenn Sie halten – auf eine sehr große Lücke warten und dann aus dem Stand beschleunigen. Das Risiko für schwere Auffahrunfälle ist in diesem Fall besonders groß.
Aquaplaning
Sie sollten sich besonders bei Glatteis oder bei Aquaplaning richtig verhalten, ihre Geschwindigkeit anpassen und sehr große Vorsicht walten lassen.
Viele Autofahrer – und vielleicht gehören auch Sie dazu – glauben, dass eine Auffahrt ein Tempolimit auf einer Autobahn aufhebt. Schließlich müssten ja alle Fahrer, die von rechts auf die Autobahn auffahren, ebenfalls über eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahnauffahrt informiert werden. Wird dies nicht in Form eines Verkehrszeichens getan, gibt es folglich auch kein Tempolimit.
Doch weit gefehlt! Eine Autobahnauffahrt hebt kein Tempolimit auf und wer hier beschleunigt, kann mit hohen Bußgeldern verwarnt werden. Die Geschwindigkeitsbegrenzung endet erst dann, wenn es durch ein entsprechendes Verkehrszeichen gekennzeichnet ist – auch auf Beschleunigungsstreifen gilt die StVo.
Wie verhält es sich aber für diejenigen, die auf eine Autobahn auffahren und nicht wissen, ob sie gerade in eine mit Tempolimit belegte Zone fahren? Leider gibt es nicht an jeder Autobahnauffahrt oder jedem Autobahnkreuz Verkehrszeichen, die auf eine geltende Geschwindigkeitsbegrenzung hinweisen. Daher muss der Auffahrende auf dem Beschleunigungsstreifen erst einmal Gas geben, um sich in den fließenden Verkehr der Autobahn einzuordnen. Dann heißt es: Warten auf das nächste Verkehrszeichen, das über die geltende Richtgeschwindigkeit informiert.
Wichtig zu wissen: Unwissenheit schützt nicht vor Strafe! Dazu fällte das Oberlandesgericht Hamm ein entsprechendes Urteil. Abhängig davon, wie viel schneller Sie als das geltende Tempolimit fahren, drohen hohe Bußgelder oder Fahrverbote.
Doch woher soll man von einem Tempolimit wissen, wenn man die Strecke zum ersten Mal befährt? In diesem Fall gilt: Wer nicht ortskundig ist und dies vor Gericht nachweisen kann, unterliegt einem Verbotsirrtum* und kann glimpflich davonkommen. Kann allerdings nachgewiesen werden, dass der Fahrer die Autobahnstrecke regelmäßig befährt und daher das geltende Tempolimit eigentlich kennen müsste, lässt die Strafe nicht lange auf sich warten.
Um es kurz zu machen: Nein.
Ein Reißverschlussverfahren darf laut StVO auf der Autobahn nur dann angewendet werden, wenn ein Fahrstreifen endet oder beispielsweise ein Unfall eine Fahrbahn blockiert. Selbst wenn man also in zähfließenden Autobahnverkehr oder Stau einfahren will, darf nicht gedrängelt und schon gar nicht mit dem Reißverschlussverfahren argumentiert werden.
Bei einem solchen Fall hat das Oberlandesgericht Köln bekräftigt, dass das Reißverschlussverfahren nicht für den Beschleunigungstreifen gilt und Autofahrer nicht verpflichtet sind, die Auffahrenden einscheren zu lassen. Vielmehr ist es die Pflicht des Fahrers, auf dem Beschleunigungstreifen zu warten und sich in den Verkehr einzuordnen, ohne die anderen zu gefährden.
Darf man auf der Standspur weiter beschleunigen, wenn man es innerhalb des Beschleunigungsstreifens auf der Autobahn nicht in den fließenden Verkehr geschafft hat? Laut Gesetz müssen Sie am Ende des Streifens theoretisch abbremsen, dies ist allerdings mit großen Gefahren verbunden. Zum einen müssen Sie es aus dem Stand heraus in den fließenden Verkehr schaffen. Auf dem rechten Fahrstreifen der Autobahn fahren häufig LKW mit 80 km/h, einige sogar schneller. Dasselbe gilt für PKW. Aus dem Stand heraus ist ein Einfädeln daher fast unmöglich und mit hohem Unfallrisiko verbunden.
Zum anderen besteht die Gefahr, dass Sie durch das Abbremsen einen Auffahrunfall verursachen, weil ein Fahrer hinter Ihnen auf dem Einfädelungsstreifen der Autobahn nicht mit der abrupten Bremsung rechnet.
Aus diesen Gründen empfehlen viele Fahrlehrer – trotz anderslautender Gesetzeslage – den Seitenstreifen weiter als Beschleunigungsstreifen zu nutzen, aber schnellstmöglich auf die Autobahn aufzufahren. Tatsächlich können Sie dafür mit einem Bußgeld belangt werden, aber auch hier wird empfohlen, dieses im Falle des Falles in Kauf zu nehmen. So riskieren Sie zumindest keinen Unfall.
*Strafgesetzbuch § 17 Verbotsirrtum:
1 Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte.
2 Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Sollten Sie einmal in einen Unfall verwickelt sein, ist es gut, die allgemeine Rechtslage bei Einfädelungsunfällen zu kennen.
Die StVO auf Autobahnen lässt im Grunde wenig Spielraum für Missverständnisse. Derjenige, der sich auf dem Beschleunigungsstreifen befindet, hat die Vorfahrt der Fahrzeuge zu achten, die bereits auf der Autobahn fahren. Falls Sie sich einfädeln möchten, können Sie nicht von anderen Kraftfahrern verlangen, dass diese auf die linke Autobahnspur wechseln, um Ihnen Platz zu machen. Auf dem Einfädelungsstreifen der Autobahn gilt es daher, laut StVO, die Geschwindigkeit der anderen Fahrer zu beachten. Sie sind schlicht gezwungen, auf eine Lücke zu warten, die groß genug ist, dass Sie gefahrlos auffahren können. Druck auf die anderen Fahrzeuge dürfen Sie in keiner Weise ausüben.
Nichtsdestotrotz gilt für alle Kfz, die sich auf der Autobahn befinden, die Sorgfaltspflicht. Der eigene Fahrstil sowie die eigene Fahrgeschwindigkeit müssen also an die jeweilige Situation angepasst sein. Diese grundsätzliche Regel beim Autobahnfahren findet auch vor Gericht Anwendung. So betonte das Oberlandesgericht München im Jahre 2009, dass die Vorfahrt auf der Autobahn nicht „als Freifahrtschein“ zu verstehen sei. Autofahrer, die einfahrenden Fahrzeuge rücksichtslos und mit überhöhter Geschwindigkeit auffahren, haften überwiegend für Schäden, die dabei auftreten. In solchen Fällen ist eine Haftungsverteilung vorgesehen, die zu einem Drittel zu Lasten des Vorfahrtsberechtigten geht.
Dies ändert allerdings nichts daran, dass bei einem Auffahrunfall grundsätzlich derjenige haftet, der die Spur gewechselt hat. Beim Fahrstreifenwechsel gilt nämlich eine besondere Beweisregel. Der sogenannte Beweis des ersten Anscheins. Diese wurde als Beweiserleichterung bei Schadensersatzfällen entwickelt. Konkret besagt die Regel, dass bei solchen Auffahrunfällen stets erst einmal vermutet wird, dass derjenige den Unfall verursacht hat, der die Spur gewechselt hat. Der Anscheinsbeweis geht also zu Lasten des Spurwechslers. Dem Auffahrenden gesteht das Gericht höchstens noch eine Teilschuld zu. Den Anscheinsbeweis entkräften, können Sie beispielsweise, indem Sie einen Zeugen hinzuziehen, der zu Ihren Gunsten im Fall der Autobahnauffahrts-Vorfahrts-Klage aussagt.
Zuletzt aktualisiert: November 2021
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