Rund ums Erben

    Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteil am Erbe: Wer hat welchen Anspruch?

    Jeden (be)trifft es früher oder später: das Erbe. Wer selbst erbt oder beizeiten den eigenen Nachlass regeln möchte, stellt sich viele Fragen: Brauche ich ein Testament? Wer erbt was und in welcher gesetzlichen Erbfolge? Kann ich jemanden enterben? Wer kann dennoch einen Pflichtteil am Erbe einfordern? Kann ich mein Erbe auch ausschlagen? Und ist es sinnvoll, mein Vermögen bereits zu Lebzeiten zu vererben?

    Brauche ich ein Testament?

    Witwe Leni steht mit ihren 62 Jahren mitten im Leben. Die Mutter von zwei Kindern hat sich nach dem Tod ihres Mannes ihren Traum erfüllt: Sie führt jetzt einen kleinen Blumenladen am Stadtrand.

    Kürzlich sprach ihre Freundin und Anwältin Margot sie bei einem Espresso mit einer einfachen Frage auf ein nicht ganz so einfaches Thema an: „Hast du eigentlich schon ein Testament gemacht?“ „Testament? Nein, aber muss ich das denn überhaupt?“

    Eine Frage, vor der viele Menschen stehen, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben. Grundsätzlich gilt: Wenn kein Testament vorliegt, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft.

    Erbfolge ohne Testament

    Das deutsche Erbrecht ist kompliziert. Doch einfach erklärt, sind im Wesentlichen zwei Dinge beim Thema „Erben und Enterben“ zu berücksichtigen:

    • Die gesetzliche Erbfolge, wenn Sie kein wirksames Testament hinterlassen.
    • Die Regelungen zum Pflichtteil vom Erbe, wenn Sie Angehörige enterben möchten.

    Die gesetzliche Erbfolge ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) klar definiert. Aus dieser ergibt sich auch die Höhe des gesetzlichen Erbteils. Um die Frage zu klären: „Wer erbt, wenn es kein Testament gibt?“, teilt das Gesetz potenzielle Erben in mindestens drei Ordnungen ein.
     

    Gesetzliche Erbfolge

    • Erben erster Ordnung sind Abkömmlinge des Erblassers, also dessen Kinder, Enkel und Urenkel.
    • Zu den Erben zweiter Ordnung gehören die Eltern des Erblassers und ihre Nachkommen: also die Geschwister des Erblassers sowie ihre Nachkommen, die Nichten und Neffen des Vererbenden.
    • Zu den Erben der dritten Ordnung zählen die Großeltern und ihre Abkömmlinge, also Großnichten und Großneffen.

    Gibt es einen Erben erster Ordnung, so erbt sie oder er den gesamten Nachlass. Nur wenn kein Erbe einer übergeordneten Ordnung am Leben ist, kommt die nächste Ordnung von Erben an die Reihe.

    Gut zu wissen: höhere Steuern für Immobilien-Erbe ab 2023

    Mit der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 2022 kann die Vererbung von Immobilien ab dem 01.01.2023 für Erben teurer werden. Der Wert der geerbten Häuser oder Wohnungen soll sich nun möglichst nahe am tatsächlichen Verkaufswert orientieren.

    Experten rechnen deshalb mit einer Erhöhung der Erbschaftssteuer um 20 bis 30 Prozent. Denn trotz des Preiseinbruches am Immobilienmarkt 2023 haben sich die Preise für Einfamilien- und Reihenhäuser zwischen 2010 und 2023 verdoppelt. Das ergab eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Interessenverbände kritisieren, dass die Freibeträge, die den Erben einer Immobilie zustehen, nicht an die höhere Bewertung des Immobilienerbes angepasst wurden. Sie seien viel zu niedrig. 

    Als Erbe erster Ordnung, also als direkter Nachfahre (leibliches, Stief- oder adoptiertes Kind), steht Ihnen beispielsweise ein Freibetrag für geerbte Immobilien in Höhe von 400.000 Euro zu. Bei einem Immobilienwert von bis zu 400.000 Euro zahlen Sie also keine Steuern.

    Übersteigt Ihr Erbe den Freibetrag von 400.000 Euro, fällt eine Erbschaftssteuer an. Die zu zahlende Steuer ist in der Erbschaftssteuertabelle festgelegt. Je nach Verwandtschaftsgrad und Wert der Immobilie liegen die Steuersätze zwischen 7 und 50 Prozent. Deshalb ist es umso wichtiger, sich zu Lebzeiten um die richtige Vererbung zu kümmern. So kann eine Schenkung zu Lebzeiten mit lebenslangem Wohnrecht eine sinnvolle Alternative sein.

    Ausnahmen sind selbst bewohnte Immobilien bis zu einer Wohnfläche von 200 Quadratmetern. Hier fällt – unabhängig vom Wert der Immobilie – keine Erbschaftssteuer an, sofern Sie mindestens zehn Jahre lang selbst darin wohnen.

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    Checkliste: Der letzte Wille richtig verfasst

    Wenn Sie sichergehen möchten, dass Ihr letzter Wille nach Ihrem Tod auch umgesetzt wird, haben Sie folgende Möglichkeiten:

    • Notarielles Testament

      Sie können Ihr Testament beim Notar hinterlegen. So stellen Sie sicher, dass es vollstreckt wird. Den Testamentsvollstrecker können Sie frei wählen.

    • Handschriftliches Testament

      Wenn Sie Ihren letzten Willen nicht beim Notar hinterlegen, müssen Sie Ihr Testament zwingend vollständig handschriftlich verfassen. Zudem muss es Ihren Vornamen und Nachnamen beinhalten und zu erkennen sein, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Ort es niedergeschrieben wurde. Unter diesen Bedingungen gilt es auch ohne notarielle Beglaubigung und kostet Sie nichts. Ein unterschriebener Ausdruck gilt nicht.

    • Gesetzliche Erbfolge

      Wenn Sie sich für keine dieser beiden Möglichkeiten entscheiden – und Ihren letzten Willen also nicht schriftlich festlegen –, gilt die gesetzliche Erbfolge.

    Enterben ist gar nicht so einfach

    Als Leni sich die Erbteilsquote nach dem Erbrecht erklären lässt, wird ihr klar, dass sie ein Testament verfassen muss. Denn so, wie die gesetzliche Erbfolge die Aufteilung ihres Nachlasses vorsieht, widerspricht das ihrem „letzten Willen“.

    Lenis Familiengeschichte weist einige Brüche auf, weshalb sie ihren Sohn Jens nicht bedenken möchte, ihrem Sohn Ingo hingegen möchte sie alles vererben. „Geht eine Enterbung denn überhaupt, wenn das Erbrecht es doch eigentlich anders vorsieht“, fragt Leni sich.

    Pflichtteil: Enterben heißt nicht gleich leer ausgehen

    Prinzipiell gilt: Jeder darf selbst bestimmen, wen er als Erben einsetzt und wen er enterben möchte. Wer enterben möchte, muss die Enterbung nicht einmal begründen.

    Aber Achtung: Damit ist die (Ent-)Erbfrage noch längst nicht vom Tisch: Wenn Sie einen Angehörigen enterben, wird aus dem Anspruch auf den gesetzlichen Erbteil nun ein Pflichtteilsanspruch – und der bleibt prinzipiell bestehen. Einziger Unterschied: Er fällt dem Enterbten nun nicht mehr automatisch zu, sondern dieser muss ihn schriftlich bei den übrigen Erben einfordern. Wenn dieser Weg erfolglos ist, hilft dem Enterbten nur noch eine Pflichtteilsklage bei Gericht, um seinen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Die Frist hierfür beträgt drei Jahre, gerechnet ab dem Jahr nach Bekanntwerden der Erbschaft.

    Wussten Sie, dass man enge Verwandte kaum komplett enterben kann?

    Den Pflichtteil vom Erbe zu entziehen, also eine tatsächliche Enterbung herbeizuführen, ist kaum möglich. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Wenn sich potenzielle Erben einer sogenannten Verfehlung schuldig gemacht haben, haben sie ihren Anspruch auf den Pflichtteil verwirkt. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Erben versuchen, den Erblasser zu töten oder ihn durch Drohung dazu gezwungen haben, ein Testament zu verfassen, das nicht seinem tatsächlichen letzten Willen entspricht.

    Der Pflichtteilsanspruch von nahen Verwandten

    Das gesetzliche Erbrecht regelt nicht nur die Erbfolge ohne Testament oder den Rechtsanspruch von Enterbten. Es spricht auch nahen Verwandten einen Pflichtteilsanspruch auf ein Erbe zu, wenn der- oder diejenige nicht im Testament bedacht wurde. 

    Der Pflichtteil umfasst grundsätzlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, richtet sich also nach der Erbfolge, und wird immer in Form von Geld ausgezahlt.

    Diese Familienmitglieder haben ein Anrecht auf den Pflichtteil

    Alle anderen Verwandten und Freunde als die im Folgenden genannten kann man in seinem Testament nach eigenem Dafürhalten großzügig bedenken oder gar nicht erwähnen.

    • Die Abkömmlinge erster Ordnung

      Kinder, Enkel, Urenkel (ehelich, außerehelich, mit Legitimierung und adoptiert)

    • Der Ehepartner

      oder eingetragene Lebenspartner

    • Die Eltern

      wenn der Erblasser kinderlos war

    Wie hoch ist der Anspruch auf den Pflichtteil am Erbe?

    Zur konkreten Berechnung des Pflichtteils muss je nach Familienkonstellation zunächst der gesetzliche Erbteil für Ehepartner, Kinder, Enkel oder Geschwister berechnet werden. Wenn beispielsweise gesetzliche Erben auf ihr Erbe verzichten, werden diese bei der Ermittlung der Quote des Erbteils nicht mitgezählt. Um genau berechnen zu können, wer wie viel erben wird, muss darüber hinaus der konkrete Nachlasswert bekannt sein. 

    Wie hoch der jeweilige Pflichtteil ist, hängt vom Güterstand der Eltern und der Anzahl der Erbberechtigten erster Ordnung ab. Die Tabelle gibt einen Überblick:

    Güterstand Ehepaar
    Erbquote
    Pflichtteil
    Erbquote
    Pflicht­teil je Kind
     
    Ehepartner
     
    1 Kind
     
    Zugewinn­gemeinschaft 1/2 1/4 1/2 1/4
    Gütertrennung 1/2 1/4 1/2 1/4
    Gütergemein­schaft
    1/4
    1/8
    3/4 3/8
         
    2 Kinder
     
    Zugewinn­gemeinschaft 1/2 1/4 1/2 (1/4 + 1/4) 1/8
    Gütertrennung 1/3 1/6 2/3 (1/3 + 1/3) 1/6
    Gütergemein­schaft 1/4 1/8 3/4 (3/8 + 3/8) 3/16
         
    3 Kinder
     
    Zugewinn­gemeinschaft 1/2 1/4 1/2 (1/6 + 1/6 + 1/6) 1/12
    Gütertrennung 1/4 1/8 3/4 (2/8 + 2/8 + 2/8) 1/8
    Gütergemein­schaft 1/4 1/8 3/4 (2/8 + 2/8 + 2/8) 1/8

    Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs bei noch lebenden Ehepartnern

    Ehepartner und eingetragene Lebenspartner nehmen beim Pflichtteil-Erbe einen Sonderstatus ein. Grundsätzlich gilt: Für einen Erbanspruch der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners müssen die beiden Partner miteinander verheiratet sein oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben. 

    Für die Ermittlung der Erbanteilshöhe bildet der Güterstand (Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung, Gütergemeinschaft) die Berechnungsbasis. 
    Liegt keine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft vor, hat die Partnerin oder der Partner gesetzlich keinen Erbanspruch. 

    Pflichtanteilsanspruch des überlebenden Ehepartners bei Zugewinngemeinschaft

    Im Falle des gesetzlichen Güterstandes – das ist die Zugewinngemeinschaft – steht der Partnerin oder dem Partner neben den Erben erster Ordnung, also den Kindern oder Enkeln, zunächst einmal ein Viertel zu, gegenüber Verwandten zweiter Ordnung, sowie Großeltern des Verstorbenen, die Hälfte. Darüber hinaus hat der Partner Anspruch auf den Zugewinnausgleich. Hierfür kann der Erbteil pauschal um ein Viertel erhöht werden. Alternativ kann die Summe anhand des während der Ehe gemeinsam erwirtschafteten Vermögens ermittelt werden.

    Pflichtteilsanspruch des überlebenden Ehepartners bei Gütertrennung

    Im Falle einer Gütertrennung wird ebenso verfahren wie bei Paaren, die ohne Gütertrennung zusammengelebt haben. Es entfällt lediglich der Zugewinnausgleich: Das heißt, der hinterbliebene Ehepartner hat keinen Anspruch auf eine pauschale Erhöhung seines Anteils um ein Viertel. So sieht es die gesetzliche Regelung vor.

    Absicherung des Ehepartners: das Berliner Testament

    In Deutschland ist die Erbregelung zwischen Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnerschaften mittels eines „Berliner Testaments“ weit verbreitet. Hierbei setzen sich die Partner gegenseitig als Alleinerben ein. Der Vorteil: Das Vermögen geht ohne Erbauseinandersetzung auf den überlebenden Ehepartner über, der Lebensstandard des Ehepartners ist damit gesichert. Die Kinder werden faktisch also zunächst zugunsten des überlebenden Elternteils vom Erbe ausgeschlossen.

    Mit dem Tod des zweiten (Ehe-)partners werden die Kinder ohne weitere Verfügung wieder zu den gesetzlichen Erben. Allerdings können auch beim Berliner Testament die Kinder ihren Pflichtteilsanspruch schon nach dem Tod eines Elternteils gerichtlich geltend machen. Der Pflichtteil beträgt dabei die Hälfte des gesetzlichen Erbteilanspruchs. Bei unverheirateten Lebensgefährten, die auch keine eingetragene Lebenspartnerschaft sind, gibt es kein gesetzliches Erbrecht.

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    Das Erbe ausschlagen: Wie geht das?

    Zur Erbschaft zählt nicht nur das Vermögen. Auch die Schulden des Verstorbenen werden dem Nachlass zugerechnet. Insofern ist es nicht in jedem Fall ratsam, das Erbe anzutreten. 

    Manchmal ist es besser, das Erbe auszuschlagen. Fürchten Sie beispielsweise durch das Antreten des Erbes eine Überschuldung und somit die eigene Insolvenz, ist es klüger, das Erbe auszuschlagen. Ein vorzeitiges Ausschlagen des Erbes, also noch zu Lebzeiten des verschuldeten Angehörigen, ist jedoch nicht möglich. Ebenso unmöglich ist ein nur teilweises Antreten des Erbes (Vermögen ja, Schulden nein). Das ist prinzipiell ausgeschlossen.

    Schnellcheck: Wann und wie kann man ein Erbe ausschlagen?

    • Grundsätzlich gilt

      Wenn eine unübersichtliche Vermögenssituation vorliegt, sollten Sie sich erst einen Überblick verschaffen. Beispielsweise kann eine Erbschaft, die an sich einen Vermögenswert darstellt, Folgekosten (wie etwa den Unterhalt einer Immobilie) nach sich ziehen, die den eigentlichen Wert gar nicht aufwiegen. 

    • Gesetzlich Erbberechtigte werden automatisch zu Erben

      Wer darauf wartet, über die Erbschaft informiert zu werden, um diese auszuschlagen, kann schnell Fristen verpassen.

    • Fristen für die Ausschlagung des Erbes

      Sechs Wochen ab Bekanntwerden. Lebte der Verstorbene im Ausland, verlängert sich die Frist auf sechs Monate.

    • So geht die Ausschlagung des Erbes

      Die Ausschlagung erfolgt persönlich beim Nachlassgericht oder per notarieller Bekundung.

    • Rücktritt vom Rücktritt?

      Ist schwierig, aber möglich, beispielsweise wenn im Nachhinein Vermögenswerte auftauchen.

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    Zuletzt aktualisiert: Mai 2024

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