Wenn einer eine Reise tut… Prag ist ja sowieso eine Reise wert, und wenn man länger dort verweilen kann, so wie ich neulich, sollte man sich nicht nur Architektur, Geschichte, Kunst, Knedliky und Pivo widmen, sondern auch den Besuch des tschechischen Technikmuseums in Prag erwägen.

Überraschende Vielfalt: Motorräder aus Tschechien
Zu sehen gibt es vor allem einen Überblick über die tschechische Mobilitätsgeschichte: Eisenbahnen, Flugzeuge, Fahrräder, Motorräder und Autos – ihr denkt, „Na, was soll da schon zu sehen sein?“ Weit gefehlt!
Hier ist nämlich eine gute Übersicht über die Produkte der tschechischen Motorradhersteller zusammengetragen!
Zu nennen sind natürlich die „Slávia“s: Unter diesem Namen verkaufte die tschechische Firma Laurin Klement aus Mladá Boleslav ihre Motorräder zur Wende ins 20. Jahrhundert und es gab international einige Unternehmen, die diese Konstruktion in Lizenz bauten.
Dieser Pionier der Auto- und Motorradherstellung ist eine der Wurzeln der VW-Tochter SKODA.

Auch auf dieser „Jelinek“ von 1904 aus Smichov half ein bisschen Gottvertrauen bei der flotten Fortbewegung, die niedliche Hinterradbremse (mehr gab es nicht) dürfte mit den 60km/h Spitzengeschwindigkeit schon ihre Mühe gehabt haben….

Die Slávia CCR Rennmaschine war mit einer Spitzengeschwindigkeit von 85 km/h im Jahr 1905 international erfolgreich!

Diese majestätische Walter (ebenfalls aus dem tschechischen Smichov) mit schönem V2-Motor kam (ohne den Seitenwagen) auch auf 70 km/h.


Ebenfalls erfolglos war die schöne „Satan“, eine Konstruktion aus Prag; 1930 auf den Markt gebracht, wurde diese Firma ziemlich umgehend ein Opfer der dramatischen Weltwirtschaftskrise.

Auch die „Praga““ war eine Marke mit hervorragendem Ruf, aber geringen Stückzahlen.

In den 30ern ging es dann wieder bergauf, ein Herr Janecek gründete „Jawa“. Und das kam so:
Bei dem Traditionsunternehmen „Wanderer“ im sächsischen Chemnitz hatte man seit den Frühzeiten des Motorrades exzellente Maschinen mit außerordentlichem Qualitätsanspruch gebaut, man soll anfangs sogar selbst Schrauben hergestellt haben, damit sie auch jeder denkbaren Belastung standhielten. Genau zur Zeit der Wirtschaftskrise hatte Wanderer dann prompt das erste Mal ein -zumindest nach dem Dafürhalten der anspruchsvollen Wanderer Kundschaft schlechtes – nur durchschnittliches Motorrad gebaut und stellte wegen der sofort einbrechenden Stückzahlen den Motorradbau ein.

Als weitere Marke kam 1935 CZ auf den Markt, die hier gezeigte 175er wurde 22.000 Mal an den Kunden gebracht.

Die dritte der populären tschechischen Motorradmarken war die „Ogar“, dieses Unternehmen baute immer nur jeweils einen Typ, ausgestellt ist hier die 250er-Zweitakter aus dem Jahr 1937.

Die „Böhmerland“ aus Konratice u Suknova war da ein anderes Kaliber: Weltbekannt ob ihrer schieren Größe und der bunten Lackierung wurde sie in wesentlich kleineren Stückzahlen hergestellt. Diese aus dem Jahr 1937 ist das kurze Einsteigermodell mit 350ccm-Zweitaktmotor – es gab die Böhmerland auch in größer und stärker…

Während des zweiten Weltkriegs wurde auch hier wie in den anderen gebeutelten Ländern Europas heimlich an Produkten für die zivile Nutzung geforscht.
Ein gewisser Herr Anderle durfte sich hier ausstoben.

Direkt nach dem Krieg wollte Jawa wieder richtig loslegen, hier der Prototyp für eine 500er Rennmaschine mit 75 PS – das war damals eine Ansage!
Tatsächlich lief die Entwicklung in der Folge schleppend, man hatte doch andere Sorgen als schnelle Straßen- oder Speedwayrenner.

Benötigt wurden solide Arbeitspferde, die alles mitmachten, die Jawa 250 aus dem Jahr 1951 ist dafür ein Paradebeispiel!

Heißbegehrt sind auch heute noch die Jawa 500 OHC Typ 15/00 und Typ 15/02, rassige Zweizylinder-Viertakter mit Königswelle, gebaut zwischen 1952 und 1959.

Aber das stellte nun wirklich nichts dar, was in einer zur Biederkeit neigenden Diktatur für die Werktätigen essentiell notwendig war…Am erfolgreichsten wurden im Ostblock daher die unverwüstlichen 350er Zweitakter, seit Urzeiten auf dem Markt und immer noch erhältlich!

Nach dem Krieg wurden auch im Osten Roller populär, hier eine Cezeta 501 aus dem Jahr 1959, 8 PS, 80km/h Spitze.

Mit diesen 350er Vierzylinder-Rennmaschinen gelang Jawa zwar kein Weltmeistertitel, aber zwei Zweite Plätze in der WM Gesamtwertung in den 60er Jahren waren aller Achtung wert…

Sporterfolge feierten die Jawas und CZ dann im Wesentlichen auf Speedwaytracks oder Cross-Pisten, hier blieben sie ernstzunehmende Gegner!
In der Serienproduktion sah es anders aus: Die Jawas konnte man – ähnlich wie die MZs – dann aus deutschen Warenhauskatalogen bestellen! In Deutschlands Westen waren sie Exoten, im Ostblock jedoch echt flotte Motorräder, die vor jedem Jugendclub eine gute Figur machten.
Ich bin ja ein Fan dieser kräftigen 350er Zweitakter, die oft auch mit auch mit Seitenwagen bewegt wurden…

Es gibt heute noch eine breite Palette von Jawas, in Deutschland wird man sie jedoch kaum neu finden, beim Bestand des BKA kommt man auf einen Marktanteil von 0,2 %.
Immer wieder gab es Anläufe, die renommierten Firmen ernsthaft wiederzubeleben, im Moto-Cross machten zum Beispiel CZ und Praga eine gute Figur…

Die tschechische Motorrad-Geschichte läuft derzeit auf Sparflamme… Aber vielleicht hat ja noch ein technikbegeisterter Tscheche die zündende Idee, das Geld und die passende Chuzpe und bringt was knackiges Neues…?
Ein Überblick über die tschechische Autogeschichte ist geplant – auch hier gibt es erstaunlich viel zu erzählen!
Für Motorrad-Interessierte noch eine Zugabe:
Im Technik-Museum in Prag gibt es noch mehr Zweiräder zu sehen… Hier einfach noch ein paar Bilder der verschiedenen anderen originellen Vorkriegskonstruktion aus der ganzen Welt:
Bekamo aus Deutschland, Neracar und Indian aus den USA, und eine meiner hochgeschätzten englischen Scotts

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