Zeitreise - Du öffnest die Türen, schließt sie und hörst einen fantastischen Klang. Du sitzt in ihm und du fühlst dich sicher. Du spürst das gediegene Ambiente der 80er. 1989 gab es schon Luxus, ach was sage ich der Begriff Luxus wurde von der S-Klasse doch erst definiert. Die Leder-Sitze vom Mercedes-Benz 560 SEC lassen sich elektrisch verstellen und sind bequemer als das gute alte Sofa von Opa und Oma.
Gebrauchtwagen der Woche: Mercedes-Benz 560 SEC Kaufberatung
Es ist ein erhabenes Gefühl. Schließlich sitze ich in einem Mercedes. Besser gesagt in einem 560 SEC. Das teuerste Auto Deutschlands im Jahre 1989. 155.000 DM musste man dafür mindestens auf den Verkaufstresen legen.
Als ich damals als kleines Kind auf dem Sofa von Opa und Oma saß, wurde scheinbar mein automobiler Geschmack geprägt, denn so ein SEC flimmerte auch über die Flimmerkiste. In Miami Vice, im Tatort, in der Serie Magnum, in der Schwarzwaldklinik, in der Serie 21 Jump Street. Damals vermutlich unbewusst nehme ich heute erst einmal wahr, dass überall wo „vermögende Personen“ zu sehen waren, ein S-Klasse Coupé nicht weit war.
Ich gestehe, früher war der Ruf nicht ganz so gut. Aber eventuell sind das auch nur Vorurteile gegenüber Berufständen mit denen man nichts zu tun haben möchte. Meine persönliche Erfahrung in dem Bereich hat mich gelehrt, dass hinter jeder harten Schale ein verdammt weicher Kern steckt. Einige SEC wurden allerdings wahrlich schlecht behandelt, verbreitert, tiefer gelegt und verschandelt. Einige haben aber überlebt – Ursache dafür ist vermutlich die bessere Rostvorsorge ab dem Facelift und die Verwendung von anderen Materialien.
Das ist übrigens auch bei dieser S-Klasse der Fall, denn zahlreiche Bauteile bestehen bereits aus Aluminium. Leichtbau! 1,8 Tonnen bringt der 560 SEC auf die Waage. Gewicht wurde so z.B. eingespart, dass die lange Motorhaube und auch der kurze Heckdeckel aus Aluminium gefertigt wurden.
4,93 lang, 1,82 breit und 1,41 flach das sind die äußeren Werte des 560 SEC. Ein Fahrzeug von Format, ein Fahrzeug für die Damen und Herren von Welt und ich gestehe: Ich bin verliebt! Verliebt in ein Fahrzeug was säuft wie ein Loch und ganz und gar nicht perfekt ist. Jeder Hersteller, der es heute wagt die Bedienungselemente für die Fensterheber in die Mittelkonsole zu verfrachten, würde von mir dafür Kritik bekommen. Hier bin ich einfach froh die rahmenlosen Fensterscheiben zu versenken.
279 PS (ohne Kat sogar 300), 430 Newtonmeter Drehmoment bei 3.750 U/min. Dank der Katalysatortechnik darf das Fahrzeug sogar eine grüne Plakette in der Windschutzscheibe tragen und das obwohl er im Stadtzyklus ca. 17 Liter zu sich nimmt und entsprechend viel CO2 emittiert. Sparsam gleitet so ein 560 SEC auf der Landstraße, da genehmigt er sich zwischen 11 und 13 Liter, wenn man nicht zu häufig das Fahrpedal komplett durchdrückt und die Automatik dazu zwingt sich durch die Fahrstufen zu quälen. Die Mercedes-Benz Wandler-4-Gang Automatic lässt einem im 560SEC (der serienmäßig bereits über einen Tempomaten verfügte) aber auch gerne dahingleiten. Unter der Motorhaube blubbert der V8 und man genießt das Leben, die Liebe zum Automobil und auch heute noch die Blicke der anderen Verkehrsteilnehmer.
Dennoch leert sich der 90 Liter Tank schneller als einem lieb ist und ich musste nach meiner ersten Ausfahrt bereits nach 444 km wieder an die Zapfsäule. Damals war der Kraftstoff einfach noch günstiger und man hat sich auch noch keine Sorgen um die Zukunft gemacht. Obwohl, das stimmt so auch nicht, denn dank der Ölkrise wurde die S-Klasse und so auch das S-Klasse Coupé leichter.
Innerhalb von 7-8 Sekunden beschleunigt dieses Gefährt von 0 auf 100 km/h. Dabei gleitet man über die Fahrbahn, man schwebt erhaben und trohnt über den Alltagsproblemen. Irgendwie fühlt es sich an wie eine Zeitreise, eine Reise in die eigene Vergangenheit.
Geld versenken? Kann man! Dennoch: Das S-Klasse Coupé, welches damals noch SEC hieß ist heute eine Geldanlage! Das Meisterstück von Bruno Sacco (Mercedes-Benz Chefdesigner von 1978–1999) ist ein Meilenstein und irgendwie erfüllt dieses Schiff auch heute noch alle Ansprüche die man an ein Fahrzeug stellen kann, wenn man mal von der Effizienz absieht. Die Finger lassen sollte man von verbastelten Fahrzeugen. Originale sind noch bezahlbar, ob man das in zehn Jahren auch noch sagen kann? Die S-Klasse wurde mit den damals noch neuen Features wie ABS, Airbag, ASR und meiner Meinung nach mit einem zeitlosen Design ausgeliefert. Die Qualität? Eine Benchmark und man sollte diesem Fahrzeug und Bruno Sacco ein Denkmal setzen. Der SEC wurde als 560 von Sept. 1985 – Aug. 1991 gefertigt und lief in der Zeit über 28.900 mal vom Band.
Natürlich gibt es typische Schwachstellen die man sich unbedingt ansehen sollte. Bei der Probefahrt muss man auch alle – und es sind ja wahrlich viele – elektrischen Verstellmöglichkeiten testen. Die Fensterheber, die Sitzverstellung, das elektrische Hub-Schiebedach, die Lichtverstellung, die Klimaanlage, der elektrisch verstellbare rechte Aussenspiegel… anschließend fährt man das Fahrzeug eine Runde um den Block und achtet auf Geräusche. Steht das Lenkrad gerade? Zieht der SEC nach rechts bzw. nach links?
Ich würde dann eine Fahrt zu einem amtlich anerkannten Sachverständigen unternehmen, gegen eine geringe Gebühr kommt man hier auf eine Hebebühne und kann sich mit dem Fachmann auch noch die weiteren Baugruppen ansehen. Rost, angegriffene Aluminium-Teile, undichte Scheinwerfer, Wagenheberaufnahme… hängen die Türen?
Lassen sich die Türen leicht öffnen und wieder schließen? Wie sehen die Fensterrahmen aus? Wie sieht es unter den Teppichen aus? Und zu einer vollständigen Begutachtung muss auch das Reserverad raus. Ist die Wanne trocken? Wie sieht es in den Radläufen aus. Ja, an so einem Fahrzeug gibt es vieles zu überprüfen aber schließlich wollen wir ja auch kein Geld in dem Schlachtschiff versenken. Durch den Einbau eines Kaltlaufreglers lassen sich einige Motorvarianten auf Euro 2 (D3) aufrüsten, was solange noch Geld (Steuern) spart bis das H-Kennzeichen auf den SEC wartet.
Die Motoren? Die halten gut und gerne 500.000 km bei guter Pflege. Das Getriebe? Vermutlich noch länger, schaltet es zu spät bzw. verzögert es? Dann muss man einfach die Bremsbänder mal wieder einstellen lassen. Dröhnt oder schlägt es im Getriebetunnel? Dann dürfte dieses Phänomenen vom Mittellager der Kardanwelle liegen. Die Kardanwelle überträgt die Kraft vom Motor bzw. vom Automatik-Getriebe an die Hinterachse. Auch die Hardyscheiben neigen zum Verschleiß.
Zuletzt aktualisiert: September 2014
Jens Stratmann
Automobil-Journalist
Baujahr 1979, technisch im einwandfreien Zustand! Nach einer Ausbildung und über elf Jahren Erfahrung im KFZ-Bereich, machte Jens seine Passion zu seinem Beruf. Jens schreibt Beiträge über Neu- und Gebrauchtwagen, die auf persönlichen Erfahrungen und Fahrtests zu dem jeweiligen Auto basieren.
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