Volkswagen ist nicht gerade bekannt dafür, Design-Experimente einzugehen oder etwas zu wagen – man denke vor allem an den Golf. Beim Arteon war das etwas anders: Das viertürige Coupé stach bereits 2017, bei seiner Weltpremiere, aus dem Familien-Design heraus. Kein Wunder, sollte der Wolfsburger den Passat CC und den Pheaton gleichzeitig beerben und das Topmodell werden. Nun stellte man dem viertürigen Coupé einen Kombi – Pardon: einen Shooting Brake – zur Seite. Im Drive Check und Test prüfen wir den Arteon Shooting Brake auf Herz und Nieren.
Test: VW Arteon Shooting Brake Fahrbericht | Review
Volkswagen hat sich mal etwas getraut! Und wie! Der Arteon hat nicht nur ein (dezentes) Facelift bekommen, sondern auch einen Bruder mit Rucksack. Der nennt sich Volkswagen Arteon Shooting Brake und ist… ein Kombi? Jein! Ein Shooting Brake ist eigentlich die „Kombi“-Variante eines Coupés, sieht schnittiger aus und weniger praktisch, als ein vollwertiger Kombi. Beim Volkswagen Arteon Shooting Brake ist das ähnlich: Zwar ist das Ursprungsprodukt ein Viertürer, aber immerhin ein Coupé! Und auf dessen Basis schuf man nun einen aufsehenerregenden – naja, nennen wir das Kind beim Namen – Kombi!
Die sportlich-elegante Linienführung des Volkswagen Arteon Shooting Brake distanziert ihn jedoch deutlich vom Passat Variant. Jener könnte schließlich als schärfster Konkurrent gesehen werden, setzt dieser schließlich auf dieselbe Technik. Er bietet einen dezent kürzeren Radstand, trotzdem etwas mehr Nutzwert und ist vor allem eines: günstiger!
Bleiben wir aber beim Design: Mit dem Facelift zieren die Front aller Arteon neue Schürzen mit nahezu dreieckigen Lufteinlässen in den Seiten. Die Front ist nun mit einem Leuchtenband ausgestattet und wirkt dadurch gewöhnungsbedürftig. Einzig der Plug-In-Hybrid verzichtet auf dieses Feature. Auffällig an der Front ist ansonsten ist der Grill, der die Scheinwerfer integriert und sich über den gesamten Bug zieht.
Augenscheinlich anders zeigt sich natürlich die Seitenlinie des Wolfsburgers. Mit dem verlängerten Dach, das ab der B-Säule abfällt, streckt sich der Volkswagen Arteon Shooting Brake gefühlt noch länger, als sein Coupé-Bruder. Mit 4,86 m Länge kommt der Shooting Brake aber ziemlich genau auf das Maß eines Skoda Superb Combi, mit dem er sich auch den Radstand von 2,83 m teilt. Anders als jener, ist der Wolfburger aber nur 1,46 m flach, duckt sich damit ansehnlich auf die Straße. Die Breite von 1,87 m ohne Außenspiegel unterstützt diesen Eindruck. Etwas schmächtig wirkt da das serienmäßige Räderwerk mit 17-Zoll-Leichtmetallfelgen. Die optionalen 20-Zoll-Räder im Turbinen-Design machen da schon mehr her. Ob sie wohl auf dem Komfort des Volkswagen Arteon Shooting Brake schlagen?
Am Heck sticht das neue Layout natürlich sofort ins Auge. Und, um ehrlich zu sein: Das viertürige Coupé gefällt uns optisch etwas besser. Die Heckscheibe fällt beim Shooting Brake enorm klein aus, wird durch den Karosserieeinzug über dem integrierten Spoiler nochmals verkleinert. Der Rücken des Volkswagen Arteon Shooting Brake wirkt damit etwas gestaucht. Mit dem Facelift ziehen neue Heckleuchten in LED mit angepasster Leuchtengrafik ein und lassen auch den Shooting Brake technisch auf dem neuesten Stand vorfahren. Das Phänomen der Auspuffblenden ohne Funktion hat man beim Volkswagen Arteon Shooting Brake leider nicht abgeschafft.
Der größte Kritikpunkt hinsichtlich des Interieurs war bislang das 1:1 vom Passat kopierte Cockpit. Und dieser Umstand wurde beseitigt: Endlich zeigt der Volkswagen Arteon ein aufgefrischtes Cockpit und mehr Eigenständigkeit. Ähnlichkeiten zum Passat sind dennoch nicht zu leugnen.
Konzentrieren wir uns aber auf das Neue: So greift man nun zu einem aufgefrischten Lenkrad mit Touchflächen – es war klar, dass das kommen würde. In Sachen Bedienung nicht der Weisheit letzter Schluss. Dahinter installierten die Niedersachsen ein 11,7-Zoll-Instrumentendisplay, das bei allen Arteon serienmäßig ist. Das Infotainment verzichtet auch weiterhin auf ein Drehrad für die Lautstärkeverstellung, gefällt dafür aber mit einer logischen Menüführung, Android Auto und Apple CarPlay (kabellos). Die Bedienung erfolgt über den 9,2-Zoll-Touchscreen oder über die intelligente Sprachsteuerung. Außerdem sind alle Arteon „always on“, also per SIM-Karte immer mit dem Internet verbunden.
Besonders gefallen hat uns das Premium-Soundsystem mit 12 Lautsprechern und 700 Watt Leistung, das richtig Druck machen kann. Klar, es gibt bessere Systeme, aber es ist den Aufpreis von 1.325 Euro durchaus wert. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es Systeme gibt, die weit über 5.000 Euro kosten.
Überzeugt hat – nun vollends – das Platzangebot. Oder, um es absolut deutlich auszudrücken: Platz gibt es in Hülle und Fülle! Vorn sowieso, da hat sich mit dem Volkswagen Arteon Shooting Brake nichts geändert. Hinten ist vor allem die Kopffreiheit beim Fließheck etwas limitiert gewesen. Beim Shooting Brake ist das nun deutlich besser, wenn auch noch nicht so ausufernd, wie etwa bei einem Skoda Superb, der auf demselben Radstand aufbaut. Dennoch: Großgewachsene müssen nicht mehr den Kopf einziehen oder tief auf der Rückbank herunterrutschen. Und das könnten sie, schließlich sitzt es sich hinten nun sehr manierlich, die Knie- und generelle Beinfreiheit würden auch einer Mercedes-Benz S-Klasse gutstehen. Hinzu kommen eine eigene Klimazone gegen Aufpreis, USB-Anschlüsse und der obligatorische Einklemmschutz für die Fensterheber. Isofix ist ebenfalls vorhanden.
Nicht zu knapp fällt beim Volkswagen-Arteon-Shooting-Brake-Test der Kofferraum aus. 565 Liter Kofferraumvolumen sind es bei aufgestellten Rücksitzen, bis zu 1.632 Liter, wenn man sie umklappt. Die Ladefläche ist dann über zwei Meter lang, sodass man – zur Not – auch mal eine Nacht im Schlafsack im Volkswagen Arteon Shooting Brake verbringen kann. Wozu? Nun, die Gedanken sind frei…
Unter der Haube des Kombi-Coupés werkelt kein Unbekannter: Der 2.0 TDI ist der übliche Vierzylinder, den man bereits aus anderen Konzernfahrzeugen kennt. Mit dem Facelift verzichten die Wolfsburger jedoch auf den doppelt aufgeladenen 2.0 TDI und machen bei den Selbstzündern bei 147 kW/200 PS ein Ende. Und genau dieses Aggregat stand uns zur Ausfahrt bereit. Mit seinen 400 Nm ab 1.750 Nm steht der Wolfsburger damit durchaus gut im Futter und schafft es auf 233 km/h. Mit Allradantrieb ist man drei Stundenkilometer langsamer.
Dafür beschleunigt man mit dem 4Motion mit 7,4 Sekunden etwa eine halbe Sekunde schneller auf 100 km/h, als ohne Allradantrieb. Braucht man den Allrad überhaupt? Wir meinen schon! Das 7-Gang-DSG ist nicht gerade feinfühlig zu dosieren, lässt bei grobem Umgang beim Anfahren die Vorderräder gerne durchdrehen. Der Fahrsicherheit ist der Hang-On-Allradantrieb also durchaus zuträglich.
Andererseits äußern sich das Mehrgewicht und die zusätzlich angetriebenen Räder beim Verbrauch. Mit 4Motion soll der Verbrauch auf 100 km bei 4,9 Litern gemäß NEFZ liegen. Spart man sich den Allrad, soll ein halber Liter weniger durch die vier Brennräume gehen. In der Realität ist man aber eher mit 6,6 Litern bei normaler Fahrweise dabei. Bei zügiger Fahrt kommt man eher auf 7,5 Liter und das ist immer noch ok, angesichts der Größe, des Allradantriebs und von immerhin 200 PS! Der Tankinhalt von 66 Litern lässt Reichweitenangst gar nicht erst entstehen.
Trotz seiner Größe, ist der Volkswagen Arteon Shooting Brake nicht unbedingt das, was man ein Schwergewicht nennen würde. Rund 1.650 kg gehen in Ordnung. So tritt der Wolfsburger kräftig an, seine 400 Nm machen ab 1.750 U/min ordentlich Druck und lassen den BiTurbo-Diesel nicht vermissen. Die stets präzise Lenkung macht den langen Shooting Brake dabei angenehm agil, lässt ihn behände durch Kurvenkombinationen wedeln. Im Sportmodus wird die Lenkung etwas schwergängiger, aber nicht präziser – das kann man auslassen.
Überzeugt hat der Komfort des Volkswagen Arteon Shooting Brake im Test. Das liegt an verschiedenen Faktoren. Zum einen wäre da der tolle Geräuschkomfort, der auch bei höheren Tempi erfahrbar ist.
Zum anderen genießt einen hohen Federungskomfort, der Langstrecken erträglich macht. Hinzu gesellt sich ein stabiler Geradeauslauf, dem selbst die 20-Zoll-Felgen nichts anhaben können. Im Sportmodus spürt man den Untergrund aber durchaus deutlich – mit ein Verdienst des stufenlos verstellbaren DCC Fahrwerks. So kann wirklich jeder Fahrer das für ihn passende Setup finden.
Eine große Unterstützung – besonders auf Langstrecken – stellt der Travel Assist dar. Unter ihm versteht man die Kombination verschiedener Assistenten, die mit nur einem Knopfdruck aktiviert werden können. So kann der Volkswagen Arteon Shooting Brake dank seines Spurhalteassistenten und dem adaptiven Tempomaten teilautonomes Fahren.
Am Preisniveau spürt man, dass der Arteon das Flaggschiff der Wolfsburger sein soll. 45.535 Euro kostet der Volkswagen Arteon Shooting Brake in der Basis. Uff! Aber Moment, da kommt noch was! Als R, also als Topmodell, sind 63.980 Euro fällig. Dann bekommt man aber den 320 PS starken 2.0 TSI und eine ziemlich gute Ausstattung.
Grundsätzlich gibt es den Volkswagen Arteon Shooting Brake in drei Linien. Die Basis, zu oben genanntem Preis, die durchaus attraktive R Line ab 48.445 Euro oder die gediegenere Variante, Elegance, die bei 47.765 Euro startet. Stattet man den Top-Diesel aber voll aus, sollte man sich von diesem Niveau wieder verabschieden. Dann kommen schnell 67.000 Euro und mehr zusammen. Da fragt man sich dann, ob ein Passat Variant nicht doch reicht.
Sind wir ehrlich: Einen Volkswagen Arteon Shooting Brake braucht kein Mensch. Und doch: Sind es nicht genau die Dinge, die man nicht wirklich braucht, die man aber doch unbedingt haben möchte? Bestes Bespiel sind Schweizer Luxusuhren: Niemand braucht sie, schließlich zeigt die 20-Euro-Casio auch die Zeit an, oder?
Stellt sich nur die Frage, ob der Volkswagen Arteon Shooting Brake mit einer Schweizer Luxusuhr gleichzusetzen ist. Er ist hochwertig, man freut sich, wenn man ihn erblickt und neidische Blicke erntet man vielleicht auch. Dazu kommt, dass er seine Fähigkeiten ohne Fehl und Tadel abliefert, dabei aber mit aufsehenerregendem Design nicht geizt. Die Analogie zur Luxusuhr passt wohl. Passen das Label und die Wahl einer Plattform, die nur Quermotoren erlaubt und einzig auf Vierzylinder setzt?
Tipp
Tarif berechnenZuletzt aktualisiert: November 2021
Jens Stratmann
Automobil-Journalist
Baujahr 1979, technisch im einwandfreien Zustand! Nach einer Ausbildung und über elf Jahren Erfahrung im KFZ-Bereich, machte Jens seine Passion zu seinem Beruf. Jens schreibt Beiträge über Neu- und Gebrauchtwagen, die auf persönlichen Erfahrungen und Fahrtests zu dem jeweiligen Auto basieren.
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