2020 war ein abenteuerliches Jahr. Und 2021? Dieses Jahr startet bislang ähnlich spektakulär und lässt wenig Hoffnung aufkommen, dass man bald zurück zum alten Standard zurückkehren kann. Was könnte es da Besseres geben, um sich zu erden, als einen grundehrlichen Pickup, der kein Edel-Laster sein möchte. Der Mitsubishi L200 als GT Pick-Up kommt fast überall hin, bietet ein großes Angebot an Camping-Equipment und könnte so manchen Urlaub, der in diesem Jahr eingeschränkt stattfinden könnte, interessanter machen. Wir haben uns das Endzeit-Mobil genauer angesehen und sogar darin – oder besser gesagt: darauf! – übernachtet.
Mitsubishi L200 Pickup mit Dachzelt | Fahrbericht | Test | Review
Grundsätzlich haben wir den Mitsubishi L200 bereits vorgestellt. So bekam der Pick-Up 2019 ein großes Facelift. Wobei man eigentlich von einem komplett neuen Fahrzeug sprechen müsste, schließlich ist die Rede von 51 Prozent Neuteilen – ein neues Fahrzeug also. Verfügbar ist der Japaner als Club Cab, also als reiner Zweitürer mit einer halben Fondtür und zwei Notsitzen, oder als Doppelkabine mit vier Türen. Die Einzelkabine ohne Rückbank gibt es gar nicht mehr.
Egal in welcher Kabinenauswahl, der Mitsubishi L200 hat immer einen Radstand von genau drei Metern, während sich die Gesamtlänge um ein paar Zentimeter zwischen den beiden Karosserievarianten unterscheidet. Beiden gemein ist die Höhe von 1,78 m und eine Breite von 2,15 m mit Außenspiegeln. Gegenüber dem Vorgänger ist der Vorbau nun vier Zentimeter höher gezogen und wirkt deutlich moderner. Die Front ziert ein bulliges Gesicht mit grimmigem Blick, das die Gene der Markengeschwister Mitsubishi ASX und Outlander zeigt. Grundsätzlich mit reichlich Chrom ausgestattet, findet man beim GT Pick-Up wiederum viel schwarz. Hinzu gesellt sich ein schwarz pulverbeschichteter Bullenfänger im unteren Bereich der Frontschürze. Auf Wunsch kann sogar eine Seilwinde ab Werk installiert werden.
Beim GT Pick-Up kommt eine seitliche Kunststoffbeplankung an den Radhäusern dazu, die ihn noch etwas bulliger erscheinen lässt. In jenen rotieren 20-Zoll-Leichtemtall-Räder in schwarz, die dem martialischen Look zugutekommen. Sinnvoller für den Geländeeinsatz wären sicherlich 18-Zoll-Felgen mit einer vernünftigen AT-Bereifung. Aber ein bisschen Stil darf schon sein, oder?
Dass der Mitsubishi L200 kein Gucci-Handtäschchen im Gewand eines groben Pickups ist, merkt man spätestens beim Entern des Innenraums. Hier blickt man noch auf klassische Rundinstrumente, große, gute bedienbare Schalter, eine eher schlichte Materialauswahl, die dafür aber strapazierfähig ist und genießt die Vorzüge einer guten Bedienbarkeit. Klar, ein Volkswagen Amarok ist ein ganzes Stück hochwertiger. Und auch der Sitzkomfort stand nicht an oberster Stelle im Lastenheft, sodass die Langstreckentauglichkeit des Gestühls eingeschränkt ist.
Viel wichtiger als das ist aber die Ladefläche. Sie misst 1,47 m in der Breite, zwischen den Radkästen immer noch 1,08 m und bei der Doppelkabine 1,52 m in der Länge. Beim Club Cap liegt die Länge bei 1,85 m. Wirklich beeindruckend ist die Zuladung von über einer Tonne. Und auch die Anhängelast von 3,1 Tonnen – gebremst, versteht sich – kann sich sehen lassen.
Das große Highlight ist aber der Umbau zum GT Pick-Up! Dank des Dachzelts hat man seine Bleibe quasi überall dabei und kann überall übernachten – die Offroad-Qualitäten des Mitsubishi L200 sprechen ja für sich. Außerdem hat man alles, was man fürs Camping braucht, auf der Ladefläche. Der ausziehbare Schlitten kann mit 450 kg belastet werden, ist modular und in fünf Stufen ausfahrbar. Auf ihm befinden sich eine Kühlbox sowie das komplette Küchenequipment in separaten Schüben und Fächern. Mit zwei Handgriffen steht man vor einem doppelten Gaskocher und einer Spüle mit Trinkwassertank. Gerade letztere ist besonders für Hundebesitzer geeignet. Zudem gibt es reichlich Stauboxen, in denen man seine Utensilien, sein Küchengeschirr oder sonstiges unterbringen kann. Kleiner Tipp: Die Dusche wird zwar ebenfalls über den Frischwassertank gespeist, sollte aber nur genutzt werden, wenn es draußen warm ist und man keine Zuschauer hat – das Wasser ist nämlich ziemlich kalt!
Das Dachzelt selbst wirkt wie maßgeschneidert und ist angeblich mit nur wenigen Handgriffen auf- und wieder abgebaut. Das mit dem Aufbau stimmt, das mit dem Abbau hinkt, da dieser – unserer Meinung nach – das Potenzial hat, Ehen ihrem Ende nahe zu bringen. Das Zelt muss man anschließend nämlich wieder zusammenfalten und mit einer Schutzplane versehen, hier ist Streitpotenzial unbestritten vorhanden – zur Erheiterung der anderen Campingplatz-Gäste.
Die 12V-Pumpe kann aber dabei helfen, das Gebrüll des Partners beim Aufbau zu übertönen. Mit ihr pumpt man die Zeltschläuche auf. Jene dienen als Streben, um das Zelt aufrecht zu halten. Die Pumpe macht aber auch Lärm, sprich ein Aufbau während der frühen Morgenstunden, der Mittagspause oder mitten in der Nacht ist eher zu vermeiden.
Über das Gewicht muss man sich wenig Sorgen machen, da der Dachträger 300 kg Zuladung statisch und 100 kg dynamisch verträgt. Dasselbe gilt für den Ladeflächen-Aufbau.
Wirklich angenehm ist die Größe des aufgeblasenen Zelts, in dem man auf eine Liegefläche von 140 x 220 cm trifft – das ist länger, als manches Ehebett. Schade wiederum, dass man im Hüftbereich die Strebe des Dachträgers spürt. Die Moskitofenster und Lüftungsöffnungen machen das Zelt im Sommer außerdem zum angenehmen Plätzchen, das durchaus luftig ist. Darüber hinaus besteht der Zeltstoff aus atmungsaktivem Tencate-Material. Wichtig ist noch, dass der Rahmen für das Dachzelt in zwei Varianten aufgebaut werden kann: Seitlich oder über das Heck. Wählt man die Variante, in der man über die Ladefläche einsteigt, spart man sich die Alu-Teleskopleiter. Tagsüber kann man es dann unter der zusätzlich zu erwerbenden Markise gut aushalten. Sie wird mit drei Gurten und Heringen im Boden verankert, kostet allerdings nochmal Aufpreis. Verbaut war sie bei unserem Mitsubishi L200 GT Pick-Up aber nicht.
Der Mitsubishi L200 ist ein echter Geländegänger. Entsprechend kommt der Pick-Up immer mit Allradantrieb. Und er kommt immer als Diesel! Wählen kann man beim Mitsubishi L200 mit Doppelkabine, ob man eine Sechsgang-Handschaltung oder Sechsgang-Automatik haben möchte. Beim Club Cab bekommt man nur die Handschaltung. Für ausreichend Vortrieb sorgt ein 2.3 Liter Diesel und 110 kW/150 PS. Einen anderen Antrieb gibt es nicht.
Der 2.3 Liter-Diesel verfügt über ein maximales Drehmoment von 400 Nm und stemmt dieses bei 1.750 U/min auf die Kurbelwelle. Natürlich ist der Japaner damit kein Geschoss, schafft es mit etwas Anlauf aber auf 171 km/h Spitzengeschwindigkeit. Auf 100 km/h geht es in gemütlichen 13,5 Sekunden. Aber das ist durchaus in Ordnung für ein Leergewicht von gut zwei Tonnen.
Natürlich kann man bei einem Fahrzeug dieser Gattung nicht den Verbrauch eines Kleinwagens erwarten. Gemäß WLTP soll der Mitsubishi L200 7,9 Litern auf 100 km konsumieren. Im Alltag sind es eher neun Liter. Wie es sich aber gehört, ist der Pick-Up nach der Euro-6d-Temp-Abgasnorm eingestuft.
Ok, der Mitsubishi L200 mag es eher grob – kein großes Wunder, schließlich verbauen die Japaner Blattfedern. Das ist dem Umstand geschuldet, dass diese Art der Federung einfach reichlich Zuladung und raues Gelände verträgt, entsprechend verbaute man sie. Damit ist der Mitsubishi L200 aber nicht allein im Segment. Zuschaltbarem Allradantrieb sei Dank, schlägt sich der Mitsubishi L200 auf der Straße zwar nicht schlecht, gehört aber eher in den Wald oder in eine Baugrube. Der steiferen Karosserie ist es zu verdanken, dass man selbst bei Verwindungen kein Knacken im „Gebälk“ vernimmt. Mitunter ein Verdienst des kürzeren Radstands von drei Metern. Üblich sind rund 3,20 m bei Pick-Ups. Dennoch ist der Federungskomfort im Alltag eher bescheiden, vor all dann, wenn man es mit harten Verwerfungen im Boden zu tun bekommt, etwa mit Kopfsteinpflaster.
Die Augenbrauen zieht man ungläubig hoch, wenn man die Trommelbremsen an der Hinterachse betrachtet. Kein Grund zur Panik: Die Bremsanlage kommt mit den gut zwei Tonnen gut zurecht. Anlass zur Kritik hatten wir nicht. Nichts Neues ist die etwas schwammige Lenkung. Dazu passt die müde Automatik ganz gut und unterstreicht schlussendlich, dass sportliche Ambitionen nicht das Metier des Mitsubishi L200 sind.
Fangen wir mal klein an. Der Startpreis für den Basis Mitsubishi L200 liegt bei 33.590 Euro. Dafür bekommt man 16-Zoll-Leichtmetallfelgen, ein Audio-System und ein paar andere Umfänge. Gönnen sollte man aber, auch wenn man den Mitsubishi L200 vorwiegend als Nutztier verwendet, zumindest das Komfortpaket. Hier sind Nebelscheinwerfer, ein Multifunktionslenkrad sowie eine Bluetooth-Freisprecheinrichtung und beheizte Außenspiegel sowie Sitze mit von der Partie. Ganz wichtig: eine Klimaanlage kommt auch erst mit dem Komfortpaket. Ab der Ausstattung Spirit kommen Assistenten ins Spiel – auch nicht verkehrt. So bekommt man einen Toten-Winkel-Assistenten, ein Auffahrwarnsystem und eine Einparkhilfe rundum. Zusätzlich stehen eine Klimaautomatik sowie LED-Scheinwerfer mit Fernlichtassistent auf dem Zettel. „Plus“ bietet das große Infotainment, 18-Zoll-Felgen und eine Rückfahrkamera, bei „Top“ kommen ein beheiztes Lenkrad und Ledersitze hinzu.
Weh tut die folgende Kalkulation. Nehmen wir als Grundlage einen Mitsubishi L200 mit Top Ausstattung für über 40.000 Euro. Rechnen wir das Dachzelt mit Halterung, die Küche, den Heckausbau, die Markise die Anbauteile für die Karosserie, eine Seilwinde und vielleicht sogar eine ab Werk bestellbare Luftfederung, die dem gesteigerten Gewicht der Zusatzausstattung besser gerecht wird, hinzu, kommen nochmals 40.000 Euro hinzu. Ups! Da helfen auch die fünf Jahre Garantie auf die Zubehörteile nichts.
Über 80.000 Euro für einen Mitsubishi L200 mit vollem Camping-Ausbau und Offroad-Equipment? Happig! Das muss man wirklich wollen. Zumal der Pick-Up im Alltag durchaus bessere Manieren zeigen könnte. Das Fahrwerk gibt sich rumpelig und der Diesel durstig. Das Zelt ist außerdem wenig bequem. Weiterer Minuspunkt ist der umständliche Auf- bzw. Abbau. Vom Komfort im Zelt mal ganz zu schweigen. Abzüge gibt es obendrein dafür, dass man ein Zelt im Winter in unseren Breitengraden eher schlecht nutzen kann. Unser Vorschlag: Einen Mitsubishi L200 für den Alltag kaufen, auf den Camping Ausbau verzichten und einen richtig schönen, luxuriösen Wohnwagen dazu kaufen. Das sollte unter dem Strich wesentlich günstiger kommen.
Zuletzt aktualisiert: Januar 2021
Jens Stratmann
Automobil-Journalist
Baujahr 1979, technisch im einwandfreien Zustand! Nach einer Ausbildung und über elf Jahren Erfahrung im KFZ-Bereich, machte Jens seine Passion zu seinem Beruf. Jens schreibt Beiträge über Neu- und Gebrauchtwagen, die auf persönlichen Erfahrungen und Fahrtests zu dem jeweiligen Auto basieren.
R+V-Newsletter abonnieren
So bleiben Sie auf dem Laufenden zu aktuellen Versicherungsthemen rund um Gesundheit, Mobilität, Geld, Vorsorge und vielem mehr. Freuen Sie sich auf attraktive Gewinnspiele und Aktionen.