19Feb2022 Auto

    Wildunfall: Wann zahlt die Versicherung?

    In der Dämmerung mit einem Wildschwein oder Reh zu kollidieren, wünscht sich niemand. Wenige wissen vermutlich auch, was aus so einem Ereignis versicherungstechnisch wird. Das liegt auch an einigen Besonderheiten in diesem Bereich, denn längst nicht jeder Unfall mit einem Tier im Straßenverkehr gilt als Wildunfall. Grund genug für ein paar neugierige Fragen an unseren Wild- und Jagdexperten Michael Wischmann.

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    Zu den Leistungsmerkmalen in der (Teil)Kaskoversicherung gehört auch der Wildunfall, also der Zusammenstoß mit Tieren im Straßenverkehr. Doch welche Tiere konkret damit gemeint sind, das unterscheidet sich von Versicherer (VR) zu Versicherer und hängt auch von den angebotenen Produktvarianten ab. (Mehr Informationen dazu habe ich für Sie am Ende dieses Artikels zusammengestellt.)

    Etwas Licht in das Dickicht des komplizierten Themas Wildunfall kann unser Jagdexperte Michael Wischmann bringen. Er ist Gruppenleiter der Betriebs- und Schadenabteilung der VTV (Vereinigte Tierversicherung, ein Unternehmen der R+V-Versicherungsgruppe) und außerdem leidenschaftlicher Jäger sowie amtlich bestätigter Jagdaufseher.

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    Herr Wischmann, In Ihrer Tätigkeit als Jagdaufseher haben Sie uns doch bestimmt so einige Fälle aus der Praxis zu berichten. Versuchen die Fahrer eher den Tieren auszuweichen oder gibt es häufiger einen Zusammenstoß?

    „Gott sei Dank weichen die meisten Autofahrer dem Wild nicht aus. Denn das führt in der Regel zu einer Kollision mit einem Baum oder kann im Graben enden. Hierbei handelt es sich um weit größere Gefahren als der direkte Zusammenstoß mit dem Wildtier.“


    Wie wird denn ein Wild- oder Tierschaden eigentlich durch Sie bzw. Ihre Kollegen bestätigt?

    „Im günstigsten Fall liegt das unfallverursachende Wildtier bei unserem Eintreffen am Unfallort. Dann ist die Sachlage klar und eindeutig und kann auf einem entsprechenden Formular für die Versicherung bestätigt werden. Ist das Tier in der Regel verletzt geflüchtet, suche ich es mit meinen speziell für diese Situation ausgebildeten Hunden. Finde ich es nicht, suche ich am Fahrzeug nach Spuren (Haare, Schweiß, d.h. Blut in der zivilen Sprache, Knochensplitter oder ähnlichem) als Schadennachweis für den Wildunfall.“

     

    Das schwierige Thema: Ausweichen oder nicht

    Das Ausweichen eines Tieres und der damit im Zusammenhang stehende Fahrzeugschaden ist per Definition nicht versichert. Die Versicherer übernehmen nur unter bestimmten Voraussetzungen den Fahrzeugschaden, der durch das Ausweichmanöver entstanden ist. Bedingung: Der Fahrer muss zur Abwendung oder Minderung des unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalles eine Rettungshandlung vorgenommen haben. Hierbei muss es sich aber um den Zusammenstoß mit einem Tier großer Körpermasse (Reh, Wildschwein) handeln. Ein Ausweichen bei einem kleinen Tier wie einem Iltis, Hasen, Kaninchen oder einer Katze ist also nicht versichert.

     

    Das rät der Wildexperte bei Wildschaden:
    1. Nicht ausweichen.
    2. Erhöhte Aufmerksamkeit an Stellen mit erhöhtem Wildwechsel. Das sind vor allem Waldanfang, Waldende, Straßen mit der Beschilderung "Wildwechsel"
    3. In der Morgen- und Abenddämmerung ist die Wildunfallgefahr am größten.
    4. Bei einem eingetretenen Unfall mit einem Tier zuerst immer die Polizei anrufen. Dieser liegt eine Liste der zuständigen Revierinhaber oder Jagdaufseher vor.
    5. Um die Arbeit einer evtl. Nachsuche zu erleichtern immer an der Unfallstelle bleiben, bis der zuständige Jäger eingetroffen ist.
    6. Bitte beachten: Angefahrenes und verletztes Wild, insbesondere Wildschweine können eine Gefahr für den Autofahrer darstellen.
    7. Das Mitnehmen von toten Wildtieren für den Eigenbedarf ist im Sinne des Gesetzes Wilderei und wird strafrechtlich verfolgt.

    Herr Wischmann, kommen wir vom Ausweichen zu der Kollision mit dem Wildtier. Hier kommt es ebenfalls darauf an, um welches Tier es sich handelt. Die Teilkasko deckt immer die Zusammenstöße mit dem sogenannten Haarwild ab. Gehört dazu auch das Wildschwein, obwohl es Borsten hat?

    „Ja, denn zum Haarwild gehört auch das Schwarzwild und hinter diesem Begriff versteckt sich das Wildschwein. Versichert ist es natürlich, da es ja ausdrücklich im Bundesjagdgesetz genannt ist, aber auch deshalb, da es sich bei den Borsten um Haare per Definition handelt.“


    Zum Haarwild gehören neben dem eben genannten Schwarzwild auch das Rotwild, das Dammwild, das Rehwild, der Feldhase, das Wildkaninchen, der Fuchs und Marderarten. Wenn die Versicherung nur Kollisionen mit diesen, vom Bundesjagdgesetz aufgelisteten Tierarten übernimmt, bedeutet das konkret: ein Zusammenstoß mit einem Pferd, einer Katze oder auch einem Fasan (Federwild!) gehört nicht zum Versicherungsumfang? 

    "Genau. Für die Definition von Haarwild und Haus- bzw. Nutztier kann ich Ihnen noch zwei nette Anekdoten mitgeben. Ein örtlicher Hobbylandwirt hatte eine Herde Urschafe. Diese ähnelten sehr dem Muffelwild, welches wiederum im Sinne des Bundesjagdgesetzes zum Haarwild zählt. Eines Tages waren drei Tiere ausgebrochen und nachdem sämtliche Versuche, die Tiere einzufangen, gescheitert waren, verwilderten diese wieder. Wenn es zum Unfall gekommen wäre, hätte sich herausgestellt, dass es sich nicht um Haarwild, sondern nur um „verwilderte“ Hausschafe gehandelt hätte. D. h. nicht alles, was wild aussieht, ist auch in allen Deckungsvarianten versichert.

    Anders war es im Nachbarort. Dort hatte eine Tierliebhaberin ein als Frischling aufgenommenes Wildschwein mit der Flasche großgezogen. Das Schwein ähnelte im Verhalten mehr einem Hund als einem Stück Schwarzwild. Es kam auf Pfiff und konnte sogar Sitz und Platz machen.“


    Und was wäre passiert, wenn dieses Wildschwein auf einem der vielen Spaziergänge mit dem Frauchen einen Unfall verursacht hätte?

    „Per Definition bleibt es ein Wildschwein und ein Zusammenstoß mit dem Tier wäre bei der Deckungsart Haarwildschäden mitversichert.“

    Vielen Dank für diese amüsanten und erhellenden Einblicke, Herr Wischmann.

    Zum Schluss noch die wichtigsten versicherungstechnischen Informationen zum Thema Wildunfall kurz und knapp:

    Bei den Autoversicherungen gibt es drei häufige Leistungsvarianten: der Zusammenstoß mit Haarwild, der erweiterte Wildschaden und der Zusammenstoß mit Tieren.


    Zusammenstoß mit Haarwild:

    Beim Zusammenstoß mit Haarwild richten sich die Versicherer nach der Definition von Haarwild aus dem Bundesjagdgesetz. Zum Haarwild gehören unter anderem Rotwild, Dammwild, Rehwild, Schwarzwild, Feldhase, Wildkaninchen, Fuchs und Marderarten.

    Erweiterter Wildschaden:

    Bei dieser Variante sind zusätzlich zum Haarwild einzeln aufgeführte Tiere, wie z. B. Pferde, Rinder, Schafe und Ziegen, mitversichert.

    Zusammenstoß mit Tieren:

    Eindeutig die umfangreichste Versicherungslösung. Hier ist jede Kollision eines in Bewegung befindlichen Fahrzeugs mit einem Tier (ob Haus-, Nutz-, Wildtier oder auch Vögel) versichert. Also auch das Pferd, das die Fahrbahn überquert oder die Katze, die Ihnen ins Auto rennt.

    Es lohnt sich, einen Blick in die Versicherungsunterlagen zu werfen, zum Beispiel, wenn ein großer Reiterhof in der Umgebung liegt.


    Bei den Kraftfahrtgesellschaften der R+V-Versicherungsgruppe (R+V Allgemeine, KRAVAG ALLGEMEINE, KRAVAG LOGISTIC und Condor) sind alle Leistungsvarianten möglich. Je nach Gesellschaft oder Produkt unterscheiden sich die Bedingungen.

     

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