Zwei junge Männer fahren in einer Achterbahn
    03Jul2025 Kollegen privat

    Nichts für schwache Nerven

    Florian und Daniel bekommen glänzende Augen, wenn sie nur das Wort Achterbahn hören. Den anderen dreht sich direkt der Magen um. Letztere lesen jetzt besser nicht weiter.

    Von Gaby Buschlinger

    Florian Wetzel und Daniel Münch aus dem RSC Karlsruhe sind nicht nur Kollegen, Kundenbetreuer und Fachschulungsreferenten, sie sind auch befreundet. Denn sie teilen eine nicht ganz alltägliche Leidenschaft: Freizeitparks wie Disneyland und Universalstudios in aller Welt besuchen und dort Achterbahn fahren. 
     

    Märchenschloss: Flo (li.) und Daniel vor dem Disney-Wahrzeichen in Tokio.

    Adrenalin-Junkies wäre aber ein falscher Titel für die Zwei. Sie sind schon so oft die rasantesten Strecken mit Loopings, Spiralen und immensen Beschleunigungen in schwindeligen Höhen gefahren, dass ihre Körper kaum noch das Stresshormon Adrenalin ausschütten. Doch Flo und Daniel bezeichnen sich selbst ganz unaufgeregt als „Coasterfriends“. So nennt sich auch der Fanclub in Deutschland.

    Florians Onkel ist schuld

    Aber zurück zu den Achterbahnen. Wie wird man Achterbahnfahrten-Sammler? „Früh“, sagen beide und lachen. „Als ich klein war, hat mein Onkel mich mit in den Europa-Park genommen; da war es um mich geschehen“, erinnert sich Florian. „Es war großartig. Und schlimm!“ Schlimm? Wieso? „Meine Familie meinte: Einmal im Jahr reicht doch.“ Fand Florian gar nicht. Als er den Führerschein hatte, „ging’s richtig los“. Will sagen: Die Abstände zwischen den Park-Besuchen schrumpften.

    Im Internet stieß Florian auf Gleichgesinnte, das Coasterfriends-Forum ist der größte europäische Fanclub. So lernte er dann Daniel kennen, ebenfalls mit einem angeborenen Faible für Nervenkitzel und ebenfalls aus Karlsruhe. Seit zehn Jahren – noch bevor beide vor fünf Jahren im RSC Kollegen wurden – klappern sie die Achterbahnen und Vergnügungspark dieser Welt ab und ignorieren bewusst sämtliche Kulturdenkmäler, Museen und Kathedralen. „Nur in Australien waren wir noch nicht“, sagt Florian.

    Es gibt also weitaus krassere Leute als uns."
    Florian Wetzel
    Kundenbetreuer und Fachschulungsreferent im RSC Karlsruhe
    Über 1000 Fahrten

    Dafür waren sie im Frühjahr in Asien – Peking, Shanghai, Tokio und Seoul. Florians Coaster-Count – eine App zum Achterbahnzählen – zeigt jetzt 1028 an. 
     

    Silver Star im Europa-Park: Die „Coasterfriends“ nennen das höchste und schnellste Fahrgeschäft Deutschlands eine „harmlose Familienachterbahn“.

    Der Spitzenreiter in ihrer Community liegt bei 3272, an die 8000 Achterbahnen stehen auf dem Globus. „Es gibt also weitaus krassere Leute als uns“, sagt Florian schmunzelnd. Nicht jede in der App gelistete Achterbahn lohne aber seiner Ansicht nach einen Besuch, manche seien veraltet oder zu gemütlich.

    Daniel ist kein „Coaster-Counter“. „Ich will besondere Bahnen. Bei mir geht Qualität vor Quantität.“ Ihn faszinieren mehr die aufwändigen Themenwelten mit Lichteffekten und Animationen, die von Harry Potter bis zu Star Wars reichen.
     

    Wartezonen mit Storytelling

    Ist das Warten in Freizeitparks nicht ätzend? Zwei, drei Stunden in der Hitze stehen für drei Minuten Fahrspaß? „Manchmal gönnen wir uns Fast-Pass-Tickets, damit darf man sich offiziell vordrängeln und direkt einsteigen“, sagt Florian.

    „In guten Parks ist aber schon das Warten ein Erlebnis“, ergänzt Daniel. „Da gibt es ein Storytelling, die Besucher erleben eine Geschichte vom Reinkommen bis zum Besteigen des Achterbahnzugs, da geht das Abenteuer schon eine halbe Stunde vor der Fahrt los.

    Die Lieblings-Attraktion der beiden Coasterfriends ist übrigens keine Achterbahn, sondern ein „Dark Ride“, eine Fahrt in einem geschlossenen Raum. Bei „Rise of the Resistance“ von Star Wars in Disneyworld Florida gleiten die Besucher in ihren Wagen durch ein riesiges Raumschiff: „Man hat das Gefühl, ein Mitglied der Rebellenflotte zu sein. Überall sind Stormtrooper, Kampfdroiden und aus dem Cockpit sieht man in der Galaxie Raumschiffe explodieren – dazu der dramatische Original-Soundtrack. Es ist, als wäre man in einen der Filme katapultiert worden“, schwärmt Daniel. Florian stimmt zu: „Allein deswegen würde ich da sofort nochmal hinfliegen.“

    Gröna Lund in Stockholm: Man sieht den Park vor lauter Achterbahnen nicht
    Dann muss man da nochmal hin, hilft ja nichts.“
    Daniel Münch
    Kundenbetreuer und Fachschulungsreferent im RSC Karlsruhe
    Jedes Disneyland ist anders

    Aber sind die Disneylands nicht überall gleich, immer mit Cinderellas Märchenschloss und Mickey Mouse? „Jeder Park ist ein bisschen anders, viele haben exklusive Fahrgeschäfte“, sagt Florian und Daniel stöhnt: „Und es werden immer irgendwo Hammer-Attraktionen neu dazu gebaut – dann muss man da nochmal hin, hilft ja nichts.“​

    Wunderwerk der Technik: Die Achterbahn „Voltron“ im Europa-Park in Rust ist eine der komplexesten Bahnen der Welt.
    Nächstes Ziel: Der Park der Superlative
    Kein Fake: Diese beiden Figuren inmitten von Disney Sea Tokio sind echte Touristen. Fotos: © privat

    Eine Grenze jedoch haben die beiden Vergnügungsparksüchtigen: „Nach Nordkorea fahren wir nicht, die haben zum Glück aber auch keine guten Bahnen.“

    Bei Saudi-Arabien befinden sich die beiden in einem Dilemma: „Bei Riad wird aktuell ein Park der Superlative fertiggestellt, mit der höchsten (195 Meter), längsten (4250 Meter) und schnellsten (250 Stundenkilometer) Achterbahn der Welt, dem ,Falcon’s Flight‘“, sagt Daniel.

    Wo ist das Problem? Als Antwort hält Florian sein Regenbogen-Armband hoch. Doch das Achterbahn-Herz schlägt höher, das Symbol für Toleranz und Vielfalt muss dann mal einige Tage in der Schublade verschwinden. Denn beide sind sich einig: „Da müssen wir hin – unter allen Umständen.“