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Ein gefragter Mann vor dem Fest
R+V-Kunde Nick Paper möchte perfekte Weihnachtsbäume anbauen. Warum das nicht so einfach ist und welchen Herausforderungen er die Stirn bieten muss, dazu mehr.
Von Marianna Hammel & Kati Eggert
In wenigen Tagen ist Weihnachten und für die meisten gehört ein Weihnachtsbaum zum Fest. Circa 30 Millionen Bäume funkeln jedes Jahr in deutschen Haushalten. Die Mehrheit der deutschen Bäume kommt aus dem Sauerland. R+V-Kunde Nick Paper ist einer der wenigen hessischen Weihnachtsbaum-Erzeuger. In den Wochen vor Weihnachten ist er „der gefragteste Mann“, schmunzelt Paper und dafür fast rund um die Uhr im Einsatz.
Paper baut auf einer Fläche von insgesamt 12 bis 13 Hektar in dem kleinen, ländlichen Ort Frohnhausen bei Battenberg Weihnachtsbäume an – vor allem Nordmanntannen. Zu einem geringen Anteil auch Blaufichten und Nobilis-Tannen. Seine landwirtschaftlichen Flächen sind seit mehr als 20 Jahren bei der R+V versichert.
Der Weg zum perfekten Weihnachtsbaum ist lang. Er beginnt bereits damit, dass die Nordmanntanne viel Zeit braucht, um zu wachsen.
Die Samenkörner in den Zapfen werden zunächst ausgesät. „Das sieht wie ein großes Gemüsebeet aus“, erklärt der Plantagenbetreiber. Nach einiger Zeit werden die Setzlinge dann vereinzelt bis sie schließlich nach zwei bis vier Jahren groß genug sind, um auf das Feld ausgepflanzt zu werden.
Ab diesem Zeitpunkt müssen sie mindestens noch fünf weitere Jahre wachsen. Erst dann kann Paper die Bäume verkaufen. In diesem Jahr hat er 9.000 Setzlinge ausgepflanzt, die frühestens ab 2028 als Topfpflanze verkaufsreif sind.
Das Aussehen muss stimmen
Doch Paper sieht den Bäumen nicht einfach beim Wachsen zu. Das Mähen, Mulchen und Düngen der Anbauflächen sind typische Arbeitsschritte in seinem Alltag. Hinzu kommt, dass der gebürtige Westfale verschiedene und aufwendige Maßnahmen ergreifen muss, damit die Weihnachtsbäume am Ende so perfekt wie möglich aussehen. Denn die Kunden werden immer anspruchsvoller: „Die Weihnachtsbäume sollen eine Pyramidenform aufweisen, aber dürfen gleichzeitig nicht zu breit und hoch sein. Die Bäume müssen schließlich zwischen Sideboard und Fernseher in die Wohnungen passen.“
Diese Kundenwünsche versucht der Landwirt so gut es geht umzusetzen. „Ich kann beeinflussen, wie die Pflanzen wachsen. Maßgeblich ist, die richtige Maßnahme zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen“, so Paper. Dazu zählt das Snippen, eine Methode, um die Pyramidenform der Bäume sicherzustellen. Hierbei werden frische Triebe der Bäume abgebrochen, wenn diese eine Länge von ein bis fünf Zentimetern aufweisen. An dieser Stelle bilden sich dann neue Knospen. Die Weihnachtsbäume behalten dadurch die Form einer Pyramide und sehen dennoch natürlich aus.
Außerdem sollten die Baumspitzen nicht zu lang sein. Mit einer Spezialzange wird das Kambium – eine Schicht im Baumstamm, die neues Gewebe bildet – behandelt. Auf diese Weise ist der Saftstrom des Baumes unterbrochen und kann nicht weiter in die Spitze fließen, sodass diese nicht zu groß wird. „Viele Menschen unterschätzen den Anbau von Weihnachtsbäumen. Das ist mittlerweile eine Wissenschaft und Philosophie für sich“, erläutert Paper. Und wenn der Baum am Ende doch nicht perfekt genug aussieht, geht er an Kranzbindereien als Schnittgrün für Advents- oder Trauerkränze.
Die Widrigkeiten im Anbau
Neben den Verschönerungsmaßnahmen erwarten den Plantagenbetreiber etliche Herausforderungen. Eine Unwägbarkeit ist das Wetter, das durch den Klimawandel immer unberechenbarer wird.
„Ich habe Angst vor Spätfrösten und extremer Trockenheit, da die Weihnachtsbäume in beiden Fällen sehr leiden“, sagt Paper.
Die Spätfröste sorgen dafür, dass die Bäume nicht mehr richtig weiterwachsen können, während die Trockenheit die Bäume ausdörrt. In den vergangenen zwei Jahren sind knapp 1.000 Bäume vertrocknet und damit als Einnahmequelle ausgefallen.
Ein Bewässerungssystem kommt für den Landwirt dennoch nicht infrage, da das zu aufwendig wäre und einen hohen Wasserverbrauch erfordert. Allein die Erstbefüllung der leeren Tropfschläuche beansprucht 24.000 Liter Wasser bei circa 1,5 Hektar Anbaufläche.
Ein weiteres Problem ist der Wildfraß. Haben es Wildtiere wie Rehe oder Hirsche erst einmal auf die eingezäunte Plantage geschafft, fressen sie alles leer. Rund 7.000 kleine Bäumchen sind den Hirschen vor vier Jahren zum Opfer gefallen. Paper schätzt, dass die Tiere sich ungefähr zwei Wochen lang von seiner Fläche ernährt haben. „Da war nichts Grünes mehr übrig. Nur noch der Stängel, der wie ein Bleistift im Boden gesteckt hat."
Ein ziemlich harter Job. Das bestätigt auch Paper: „Ich arbeite in der Hauptsaison den ganzen Tag von morgens im Dunkeln bis abends im Dunkeln. Es ist kalt und nass und ja, manchmal bereue ich meine Berufswahl. Da habe ich schon des Öfteren gedacht: Im nächsten Leben machst du Erdbeeren“.
Der Anbau ist Familientradition
Doch im jetzigen Leben ist Paper seit 33 Jahren im Weihnachtsbaumgeschäft. Seinen ersten Baum hat er bereits im Alter von 13 Jahren verkauft. Denn schon sein Opa und Onkel haben Weihnachtsbäume angebaut. In der Weihnachtszeit hat Paper nach der Schule beim Baumverkauf unterstützt und sein Taschengeld aufgebessert. Das hatte auch Vorteile: „Bei den Lehrern hatte ich dann auch immer ein gutes Standing, vorausgesetzt, die haben einen schönen Baum bekommen.“
Der Weihnachtsbaum-Anbau hat sich als Familientradition fortgesetzt. Mit an Bord sind heute Papers Mutter, seine Frau, die Neffen, auch Freunde und Bekannte helfen aus. Sogar sein achtjähriger Sohn packt tatkräftig mit an, indem er zum Beispiel Schokolade beim Hofverkauf verteilt. So kann er sich schon an das Geschäft gewöhnen. „Mit Speck fängt man bekanntlich Mäuse“, schmunzelt Paper. Wenngleich das Weihnachtsbaum-Geschäft nur ein Standbein des Landwirts ist und etwa 25 Prozent vom Umsatz einbringt, ist es wohl das arbeitsintensivste; zusätzlich betreibt Paper Pferdezucht und ist als Dienstleister für größere Unternehmen tätig.
Der Weihnachtsbaum-Kauf der Zukunft
Jedes Jahr öffnet Paper an zwei Adventssonntagen seine Weihnachtsbaum-Plantage.
Die Kunden suchen sich ihren Weihnachtsbaum vor Ort aus und schlagen ihn dann selbst. Obendrauf gibt es einen gratis Glühwein und eine Feuerschale zum Aufwärmen.
Allein an einem Sonntag verkauft Paper zwischen 80 und 100 Bäume. In diesem Verkaufsmodell sieht der Plantagenbetreiber die Zukunft: „Ich kann Transportwege und Lohnkosten sparen. Und die Kunden wissen ganz genau, wo ihr Baum herkommt. Ein tolles Familienerlebnis ist es auch.“
Der Baumcontest für Händler
Dass Paper die Bäume direkt an den Endkunden verkauft, macht nur 25 Prozent seines Weihnachtsbaum-Geschäfts aus. Der Großteil besteht aus dem Verkauf an Händler, die die Bäume dann an die Endverbraucher vermarkten.
„Schon im August wandern die Händler durch die Weihnachtsbaumplantage und suchen sich die Bäume aus, die sie weiterverkaufen wollen. Bis Mitte September sind die Geschäfte gemacht“, erklärt Paper. Die verkauften Bäume werden durch verschiedenfarbige Bänder gekennzeichnet, die für unterschiedliche Größen stehen. „Diese Bäume stehen auf Abruf bereit.“ Sobald ein Händler anruft und von den rot oder gelb markierten Bäumen benötigt, könne er liefern. Auch wenn alle Bäume in einem Jahr nicht verkauft wurden, dürfen sie weiterwachsen. Abnehmer seien dann Firmen, die größere Weihnachtsbäume als in Privathaushalten aufstellen.
Nach Weihnachten fällt der Stress von Paper ab: „Dann ist bei mir erstmal die Luft raus. Das Telefon steht endlich wieder still und langsam kehrt Ruhe in meinen Alltag ein.“
Die Verwertung nach dem Fest
Oftmals sammeln Vereine oder Jugendfeuerwehren die Weihnachtsbäume gegen eine kleine Spende ein und nutzen sie für ein großes Feuer zur Gemeinschaftspflege. In größeren Städten ist es üblich, dass die Stadt- oder Abfallwirtschaft die abgeschmückten Bäume nach Weihnachten zu festen Terminen abholt. Alternativ können die Bäume auch in den Grünschnitt gegeben werden oder zerkleinert in die Biotonne. Und Gartenbesitzer können ihren Baum grob zerkleinern und zu einem Reisighaufen aufschichten, somit bietet er Unterschlupf und Lebensraum für viele Kleintiere wie Igel.
Echte Weihnachtsbaum-Fans sind zudem Ziegen, die all das Grüne abfressen. Neben den Ziegen gibt es viele weitere tierische Weihnachtsbaum-Liebhaber. Dazu zählen auch Elefanten, weshalb die Bäume gerne an Zoos weitergegeben werden.