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Wenn das Wasser wieder kommt
Wie kann man Gebäude besser gegen Hochwasser schützen? Die Frage beschäftigt die Risikoingenieure Daniel Müller und Sebastian Etz tagtäglich. Impulse holten sie sich in den Alpen. Wir haben sie begleitet.
Von Joscha Denzer
„Wir sind immer viel unterwegs, aber solche Reisen machen wir selten“, sagt Sebastian Etz. Er steht in der kleinen Gemeinde Öblarn im Ennstal, umgeben von den saftig-grünen Berghängen der Steiermark. Normalerweise besucht Etz Firmenkunden in Deutschland, die einen Hochwasser- oder Rückstauschaden hatten und sich für künftige Ereignisse besser sichern möchte. Oder der Ingenieur für Umwelt- und Bioverfahrenstechnik begutachtet große Firmen, die sich bei der R+V versichern wollen und prüft diese auf Herz und Nieren. Dafür benötigen Etz und seine Kollegen vor allem eines: Fachwissen. „Wir müssen immer auf dem neuesten Stand sein, deshalb haben wir auch einen engen Draht zu Herstellern von Hochwasserschottelementen für Fenster und Türen“, ergänzt sein Kollege Daniel Müller.
Hagel in Italien, Starkregen mit heftigen Überschwemmungen in Slowenien – auch dieser Sommer hat wieder gezeigt: die Intensität von Unwettern nimmt immer mehr zu. Und die Schäden werden für Versicherer immer teurer. In den Alpen kennen und fürchten sie Hochwasser seit Jahrhunderten. „Die Österreicher und Schweizer waren bisher stärker betroffen als wir. Sie sind uns auch beim Erkennen und Beurteilen von Naturgefahren einen Schritt voraus. Daher ist es wichtig, dass wir uns austauschen und eng vernetzen“, sagt Daniel Müller. Der Geologe fungiert im Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) als Naturgefahrenexperte. „Wir sind auch hier, um zu lernen“, ergänzt Sebastian Etz.
Drei Tage lang überschwemmt
Öblarn ist ein idyllisches Dorf: Hauptstraße, malerische Fachwerkhäuser, Kirche mit Zwiebelturm, ein Bach, der durch die Ortsmitte führt – und im Hintergrund die hohen Berge. Doch im August 2017 wurde Öblarn wieder einmal von schwerem Starkregen überrascht. Die Flut, die aus den Bergen kam und den 2.000-Seelen-Ort drei Tage lang überschwemmte, richtete Schäden an Häusern und Autos in Höhe von 5,5 Millionen Euro an. Eine Gewitterzelle hatte sich immer wieder aufgeladen.
Schwere Hochwasser hatten sie hier vorher schon alle 30 bis 40 Jahre. Also beschließt die Gemeinde, sich besser zu schützen: In den Bergen, wo der Bach entspringt, wurden an vier Stellen massive, hohe Holz- und Treibgutsperren aus Beton mit Metallverstrebungen tief in den Fels verankert. Ihr Zweck: Sie sollen bei Dauerregen verhindern, dass sogenannte Muren talwärts schießen. Eine Mure ist ein Gemisch aus Wasser, Steinen, Schlamm und abgerissenen Ästen oder umgeknickten Baumstämmen. Jetzt bleibt bei einem Gewitter das gröbste Geschwemmsel aus Holz und Felsgeröll in den überdimensionalen Rechen hängen und nicht vor der Brücke unten im Dorf. Dort wirkte das geballte Treibgut 2017 nämlich wie ein Abflussstopfen: Die Wassermengen traten über die Ufer und breiteten sich im gesamten Ortskern aus.
Hochwasser-Simulation in den Bergen
Obendrein kann eine Mure ungebremst eine Geschwindigkeit von bis zu 60 Kilometern in der Stunde aufnehmen. Was passiert, wenn ein solches Geschoss im Tal ankommt, können Besucher in Öblarn live erleben. Denn die Gemeinde hat auf dem Berg eine Wassererlebniswelt geschaffen, mit dem Zentrum des Ortes im Maßstab 1:25. Die Kirchturmspitze reicht erwachsenen Besuchern bis zum Bauch.
Automatische Schottsysteme
Für Müller und Etz geht die Reise weiter: In der Nähe von Salzburg besuchen sie einen Hersteller von Hochwasserschutz-Systemen für Türen und Fenster. Das Besondere: Die Metallsperre geht automatisch nach oben, sobald eine bestimmte Menge Wasser in den Bodentank gelangt. Müller und Etz erkennen sofort einen Haken: Das Schottelement ist nur 30 Zentimeter hoch. Der Hersteller versichert, dass dies ausreiche, doch die R+V-Mitarbeiter sind skeptisch: „Wenn wir so etwas unseren Kunden empfehlen, müssen wir sicher sein, dass das Wasser nicht doch höher als 30 Zentimeter ansteigen kann“, sagt Müller. Morgen stehen weitere Termine bei Herstellern in Deutschland an. Dann werden die beiden Risikoingenieure wieder ganz genau hinschauen.