12Sep2023 Rein geschäftlich

    "So ist das in Katastrophengebieten"

    Starkregen und Hagel haben Ende August in Bayern gigantische Schäden angerichtet. Für die Betroffenen ist schnelle Hilfe gefragt. Unser Großschadenregulierer Florian Schuch war bei Kundinnen und Kunden vor Ort.

    Von Christian Gottwalt

    Von weitem sieht es aus, als hätte es in Benediktbeuern geschneit. Aber es ist kein Schnee, der auf den Häusern liegt, es sind weiße und manchmal auch blaue Planen, die von den Einsatzkräften der Feuerwehr behelfsmäßig über die Dächer gespannt wurden. Sie sollen verhindern, dass noch mehr Wasser eindringt. Denn nach dem Hagelsturm hat es drei Tage ohne größere Pausen geregnet.

    "So ist das in Katastrophengebieten", sagt Florian Schuch, "man spürt oft schon aus der Ferne, dass etwas nicht stimmt". Aus der Nähe sieht man dann die Lastwagen, die Dachziegel herankarren, und die vielen Menschen auf den Dächern, Dachdecker und Eigentümer, die Ziegel legen. Das ganze Dorf ein einziges Gewusel.

    Florian Schuch hat als Großschadenregulierer der R+V schon viel gesehen, er war vor zwei Jahren auch im Ahrtal unterwegs, um zu helfen. Aber Benediktbeuern forderte selbst ihn mit Bildern von Sachschäden, die er zuvor noch nicht gesehen hat

    Diese Solarpanele wurden komplett zerdellt und sind unbrauchbar.

    800 von 1.000 Gebäuden wurden vom Hagel zerstört

    In Benediktbeuern war es kein Starkregen, sondern ein Hagelsturm. Seither sind von 1.000 Gebäuden des Dorfes nicht weniger als 800 kaputt. Die Dachziegel zerschlagen, die Dächer undicht. Florian Schuch ist einer von zehn Großschadenregulierern, die für die R+V in ganz Deutschland unterwegs sind. Er lebt in Regensburg und bedient von dort sein Zuständigkeitsgebiet, das südliche Bayern.

    Florian Schuchs erster Termin an diesem Donnerstag ist ein Supermarkt. Der Kunde, dessen Familie mehrere Märkte in der Region betreibt, führt den R+V-Mann durch den Laden. Er zeigt auf die Stellen an der Decke, wo das Wasser hereinlief. Zeigt auf das demolierte Supermarktschild an der Fassade und auf die völlig zerstörten Unterstände der Einkaufswagen.

    In keinem Auto war mehr eine Scheibe drin

    Bevor Florian Schuch im Büro des Marktes das Schadenprotokoll aufnehmen kann, zeigt der Händler ihm ein Video des Unglücks, das eine seiner Überwachungskameras aufgenommen hat. "Hier sieht man noch die letzten Sonnenstrahlen", sagt er, "und fünf Minuten später war in keinem der Autos auf dem Parkplatz mehr eine Scheibe drin." Wie durch ein Wunder wurden in Benediktbeuern keine Menschen verletzt.

    Ein Schadenprotokoll schreiben ist für Florian Schuch Routine. Der Markt ist versichert gegen Betriebsunterbrechungen und Warenschäden. Für das Gebäude ist eine andere Versicherung zuständig, weil der Markt hier nur Mieter ist.

    Unfassbare Gewalt: Die Fassade des Hauses erinnert ans Scheibenschießen auf dem Jahrmarkt.
    Tennisballgroße Hagelkörner

    In Benediktbeuern kamen die tennisballgroßen Hagelkörner nicht nur von oben, der Sturm blies so stark von der Seite, dass auch Autos in Totalschäden verwandelt wurden, die geschützt unter dem Dach eines Carports standen. Ein neuwertiger Mercedes-Van, der hier parkt, sieht aus, als habe jemand mit dem Maschinengewehr darauf geschossen.

    Weiter zum nächsten Schadenfall. Florian Schuch hat ihn eben erst hereinbekommen, es handelt sich um einen Neubau, einen Steinwurf vom Supermarkt entfernt. Die Dachziegel zersplittert, das Dachfenster zerbrochen, die Kaminkonstruktion zerstört und selbst die hölzerne Außenfassade ist beschädigt. Jeder Einschlag der gigantischen Hagelkörner ist zu sehen.

    Schuch bespricht mit dem Kunden, wie die Sanierung ablaufen könnte. Es geht um zerbeulte Dachrinnen und unsichtbare Haarrisse an den Ziegeln. Es geht um Schleifarbeiten an der Fassade und potenzielle Wertminderungszahlungen. "Wir haben ja kein Interesse, etwas auszubauen, was noch gut ist", sagt der Kunde, der als Zimmermann vom Fach ist und das Haus mit seinem Team selbst gebaut hat. Er holt seinen Kalender vor und skizziert den Dachaufbau.

    Der Hagel kam nicht nur von oben, sondern auch von der Seite und beschädigte sogar Fahrzeuge unter Carports.

    Selbst widerstandsfähige Dachziegel wurden durch die tennisballgroßen Hagelkörner reihenweise zertrümmert.

    Schäden in einem landwirtschaftlichen Betrieb.

    Das Dach der Scheune ist kaum mehr vorhanden.

    Sein Job als Großschadenregulierer ist es, für die Kundinnen und Kunden da zu sein: Florian Schuch.

    Wir haben ein gut gepflegtes Netzwerk zu den verschiedensten Sachverständigen"
    Florian Schuch
    Großschadenregulierer der R+V

    "Da sind wir uns ja einig", sagt Florian Schuch. Der Schadenregulierer ist ebenfalls vom Fach, hat nach dem Abitur eine Maurerlehre absolviert, anschließend einen Betriebswirt gemacht. Bevor er weiter zum nächsten Termin eilt, kündigt er den Bausachverständigen an, der am Nachmittag den Schaden unabhängig begutachten wird. "Wir haben ein gut gepflegtes Netzwerk zu den verschiedensten Sachverständigen", sagt er. Der gute Draht sei wichtig, um die Schäden im Sinne der Kunden schnell abschließen zu können.

    Mit dem Bausachverständigen ist Schuch beim nächsten Schadenfall verabredet, einem denkmalgeschützten Bauernhof mitten im Ort. Der Sachverständige lässt routiniert seine Drohne steigen, während Schuch mit dem Kunden einen Rundgang durch die durchsiebte Holzscheune macht. Als er wieder auf die Straße tritt, kommt ein weiterer Mann dazu, stellt sich vor und sagt: "Ich bin auch bei der R+V versichert." Wo denn sein Hof sei, fragt Schuch. "Da, gleich über die Straße."