03Mai2023 Rein geschäftlich

    Banken sind keine Versicherungen

    Ist die Bankenkrise schon vorbei? Gibt es überhaupt eine? Und was bedeutet das für die R+V Versicherung, die ja schließlich Tochter einer Bank ist? Antworten von Chefvolkswirt Uwe Siegmund.

    Von Uwe Siegmund

    Die Pleite der Silicon Valley Bank und die notfallmäßige Abwicklung der Credit Suisse haben die Kapitalmärkte aufgeschreckt. Trotz einiger Parallelen zur Lehmann-Krise 2008 sehen wir das Risiko einer erneuten Finanzkrise als gering an.

    Nach der Insolvenz der Silicon Valley Bank machen die Märkte, was ihre Aufgabe ist. Sie hinterfragen alle Banken, Versicherungen und Finanzinstitutionen nach ihrer Liquidität, ihrer Fristentransformation, ihrem Risikomanagement und ihrer Refinanzierung. Sie suchen die schwächsten Glieder der Kette – und finden beispielsweise die Credit Suisse. Diese Bank litt schon länger unter Geld- und Vermögensabflüssen sowie einem schlechten Risikomanagement. In einer staatlich angeordneten Rettungsaktion übernahm die UBS die Credit Suisse. Keiner weiß, ob weitere Insolvenzen am Bankenmarkt folgen werden. Wir wissen aber, dass Zentralbanken, Regierungen, Regulierungsbehörden und Kapitalmärkte aus der Vergangenheit gelernt haben. Sie reagieren heute anders und vor allem schneller ​als in der großen Finanzkrise 2008.

    Versicherer funktionieren anders

    Und was ist mit den Versicherungen? Auch sie sind betroffen von den Schocks an den Kapitalmärkten. Immer wieder wird die Vermutung geäußert auch Versicherer könnten genauso in eine Liquiditäts-Abwärtsspirale gelangen wie Banken. Das Szenario: Sollten die Kunden massenweise kündigen, müssten Lebensversicherungen aufgrund stiller Lasten im Kapitalanlageportfolio ihre Anlagen mit Verlusten verkaufen, so dass sie insolvent werden könnten.  Es gibt aber einige wichtige Argumente, die in einem solchen Szenario außer Acht gelassen werden und die einen Run auf Lebensversicherungen äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen:

    1. Lebensversicherungen sind keine Banken. Die Fristentransformation läuft genau umgekehrt. Sie haben langlaufende Einlagen, das heißt, dass die Kunden dem Versicherer ihr Geld mit einem längerem Sparmotiv anvertrauen und nicht täglich darüber verfügen oder es einfach über Nacht woandershin überweisen können. Sie müssen dazu erst ihren Vertrag kündigen. Versicherungen investieren daher in eher längerlaufende Anlagen. Typischerweise sind jedoch die Verbindlichkeiten der Lebensversicherung, also die Laufzeit der Versicherungsverträge, noch länger als die der Kapitalanlagen.
    2. Lebensversicherungen schützen sich vor Kündigungen bzw. Stornierungen. Neben dem langfristigen Sparmotiv helfen beispielsweise die Zillmerung am Vertragsanfang, Stornoabschläge bei Kündigung, die Provisionshaftungsdauer der Vermittler und eventuelle steuerliche Nachteile, übermäßige Abflüsse zu verhindern. Stornorisiken werden im Rahmen des Risikomanagements laufend modelliert und analysiert.
    3. ​Lebensversicherungen haben ein umfangreiches Bilanzpuffersystem. Auf der Kapitalanlageseite gibt es typischerweise stille Reserven (also Marktwerte oberhalb der Buchwerte). Momentan haben sie, wie viele andere langfristig orientierte Anleger, stille Lasten. Diese sind nur relevant, wenn die Papiere nicht bis zur Rückzahlung bei Endfälligkeit gehalten werden. Aufgrund der Laufzeitenstruktur (siehe Punkt 1) können Lebensversicherungen die stillen Lasten jedoch auslaufen lassen. Auf der Versicherungsseite gibt es ebenfalls Puffer: freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung (kollektiv), Schlussüberschüsse (Belohnungen am Laufzeitende) und die Zinszusatzreserve (zur Garantieausfinanzierung). Sie werden eingesetzt, um die Kundenverzinsung auskömmlich und stetig zu halten. Diese Puffer könnten im Krisenfall eingesetzt werden.
    4. In der Kapitalanlage hat sich bei Lebensversicherern aufgrund der aktuellen Situation zwar die Liquidität reduziert, aber sie ist dennoch vorhanden: laufende Kuponzahlungen von Anleihen, Mieteinnahmen, Dividendenzahlungen und Anleihe-Rückzahlungen. Auch von der Versicherungsseite fließt typischerweise Liquidität zu. Zum einen in Form von laufenden Beiträgen aus dem Versicherungsbestand und zum anderen durch den Absatz von Neuverträgen von Lebens- und Risikolebensversicherungen.​
    5. Sollte es dennoch zu Schwierigkeiten bei einzelnen Lebensversicherern kommen, können starke Unternehmen schwache Versicherer übernehmen. Außerdem gibt es, ähnlich wie im Bankensektor, eine Art Einlagensicherung für Versicherer, in die alle Versicherungsunternehmen einzahlen. Auch bei Versicherungen kann die Aufsicht den Abfluss jederzeit stoppen, so wie bei Banken. Und strauchelnde Lebensversicherer könnten Hilfe vom Staat erhalten. Der Rettungsfonds SoFFin (Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung) stand in der Lehmann-Banken-Krise auch Versicherungsunternehmen offen.

    Eine so tief gestaffelte Prävention gegen Solvenzprobleme in der Lebensversicherungsbranche ist durchaus beruhigend. Die Kapitalanleger der R+V nehmen die Risiken aus starken Zinsanstiegen dennoch sehr ernst. So haben wir unser Exposure nach der Credit Suisse-Übernahme genau unter die Lupe genommen und keinen Grund zur Änderung unserer Strategie gefunden. Von den Anleiheausfällen der Credit Suisse und der Silicon Valley Bank sind wir nicht betroffen. Im Segment Banken sind wir immer schon konservativ aufgestellt.