20Feb2023 Kollegen privat

    Das ist kein Kostüm!

    Carsten Mohr ist Füsilier bei einer Mainzer Garde. Im echten Leben arbeitet er als Prozessmanager bei der R+V. Heute trägt er eine blau-gelbe Jacke mit Schulterklappen und einen Dreispitz mit rot-weißem Puschel. "Das ist kein Kostüm", betont Carsten Mohr. "Das ist eine Garde-Uniform".

    Von Celine Göbbels

    Eine Fastnachtssitzung aus Sicht eines Garde-Füsiliers (r.). Darunter auch Carsten Mohr (l.).

    Um 19.11 Uhr kocht die Stimmung im beschaulichen Mainzer Vorort Gonsenheim. Es ist Fastnachtszeit und in der Turnhalle haben sich jede Menge Verkleidete eingefunden. Super Mario, ein Mainz 05-Fan, ein Cowgirl, mehrere Einbrecher und ein Scheich sitzen bunt durcheinander gewürfelt im Saal. Die Sitzung des Gonsenheimer Carneval Vereins beginnt, das Komitee  rund um den Sitzungspräsidenten geht auf die Bühne. Geleitet werden die elf Komitäter und Komitäterinnen von der Füsilier-Garde. Unter ihnen ist Carsten Mohr, im echten Leben arbeitet er als Prozessmanager bei der R+V. Heute trägt er eine blau-gelbe Jacke mit Schulterklappen und einen Dreispitz mit rot-weißem Puschel. "Das ist kein Kostüm", betont Carsten Mohr. "Das ist eine Garde-Uniform".

    "Ich bin Füsilier und meine Aufgabe ist es, die Fassenacht vor Muckern und Philistern zu schützen", erklärt Carsten Mohr mit einem Augenzwinkern. Spätestens jetzt sind Nicht-Fastnachter mit ihrem Latein am Ende. Garde? Füsilier? Und was sind "Mucker und Philister"?

    Carsten Mohr bringt Licht ins Dunkel: Als „Füsiliere“ wurden zur Zeit der napoleonischen Kriege im frühen 19. Jahrhundert die Fußsoldaten bezeichnet. Das Tragen der militärischen Bekleidung ist ein Brauch, der auf die Anfänge der Fastnacht zurückgeht. Carsten Mohr selbst ist seit 2010 bei der Gonsenheimer Füsilier-Garde – eine der mitgliederstärksten eigenständigen Mainzer Garden. Waren sie früher noch mit Gewehr und Bajonett bewaffnet, so sind heute Witz und Humor ihr schärfstes Schwert. Den "Muckern und Philistern" - also den Fastnachts-Muffeln und Spaßbremsen - begegnet man damit ohnehin effektiver.

    Carsten Mohr und seine Söhne in ihren Garde-Uniformen. Für Erwachsene werden diese Uniformen maßgeschneidert - etwa sieben Anpassungstermine braucht der Uniformenschneider dafür. Kinder können sich ihre Uniformen bei der Garde leihen. Um den Hals tragen alle drei die Fastnachtsorden. Da gibt es einen Neuen für jedes Jahr als aktiver Fastnachter - und da ein Fastnachter alle seine Orden trägt, sammelt sich einiges an. "Wenn man ein paar Jahre dabei ist, klingt das schon wie Kuhglocken", vergleicht Carsten Mohr.

    "Zwischen dem 1.1. und Aschermittwoch könnte ich jedes Wochenende in Uniform unterwegs sein“, erklärt Carsten Mohr. Allein der Gonsenheimer Carneval-Verein habe sieben eigene Sitzungen. Dazu kommen noch die sogenannten „Fremdeskorten“ – also Auftritte der Garde bei Sitzungen anderer Vereine – und drei große Fastnachtsumzüge. „Ich bin dieses Jahr bei den Umzügen und vier Sitzungen dabei“, berichtet Carsten Mohr. 

    Bei Sitzungen „eskortiert“ Carsten Mohr. Sein Job ist es, das Komitee auf die Bühne zu bringen und nach der Sitzung wieder abzuholen. Dazwischen hat er „frei“: Entweder geht es dann zu anderen Sitzungen, in die Stadt oder an die Sektbar. Besonders trinkfest müssen Füsiliere allerdings nicht sein. „Jeder ist seines Glückes Schmied“, meint Carsten Mohr: „Das hängt nicht mit der Uniform zusammen.“

    Gut zu wissen


    Die Fastnacht vor "Muckern und Philistern zu schützen" ist sogar Gesetz - festgeschrieben im Närrischen Grundgesetz der Mainzer Fastnacht. Und obwohl es in einer Garde auch militärische Ränge wie Kadett, Fähnrich, Leutnant bis zum Generalfeldmarschall gibt, sind an der Fastnacht alle gleich. Das besagt Artikel 2.
     

    Carsten Mohr mit dem Kollegen Thomas Sturny – auch dieser R+V-ler ist in der Füsilier-Garde 1953 e.V. aktiv. Übrigens: Jeder Gardist erhält einen eigenen Gardenamen. Carsten Mohr heißt zum Beispiel: Carsten von Mohr, Närrischer Streiter halbwegs Hexem, echter „Mohr“.

    "Ich bin ein echter Meenzer", erklärt Carsten Mohr mit Stolz in der Stimme. Um ein Mainzer mit zwei "e" zu werden, muss man bereits in der dritten Generation in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt leben. Eine Voraussetzung für die Mitarbeit bei der Fastnacht ist das allerdings nicht. "Zugereiste dürfen natürlich auch mitmachen", gibt der Füsilier aus Leidenschaft zu. 

    In eine Garde einzutreten, ist allerdings gar nicht so leicht. "Man muss vorgeschlagen werden", berichtet Carsten Mohr. Außerdem gäbe es oft eine lange Warteliste. Mohrs Söhne hingegen haben Glück: "Die Kinder von Gardisten dürfen automatisch in die Garde eintreten." Seine Jungs sind zwölf und zehn Jahre alt und begeisterte Fastnachter. "Die Garde tut viel für Kinder und Jugendliche", erklärt Mohr. Und es gibt noch einen weiteren Grund: "Ich glaube, beide haben verstanden, dass Fassenacht in Gardeuniform höchst attraktiv ist für die Damenwelt", munkelt Carsten Mohr grinsend. 

    Beruflich hat es den echten Meenzer nach Wiesbaden verschlagen. Bei der R+V ist Carsten Mohr Prozessmanager für Digitalisierung im Stab Kunden- und Prozessmanagement Komposit. Gegen eine Verlegung des R+V-Standorts nach Mainz hätte Mohr nichts einzuwenden: "Wenn Herr Rollinger gerne auf die richtige Seite umziehen würde: Ich denke, wir könnten da etwas arrangieren", ist sich der Füsilier sicher und lacht. 

    Zurück im Gonsenheimer Fastnachts-Saal: Die tobende Menge verabschiedet das Komitee, der Dienst ist damit auch für die Garde für heute beendet. Doch ein Höhepunkt steht noch bevor: Am Rosenmontag zieht die Garde durch die Mainzer Innenstadt. Dann wird auch Carsten Mohr wieder mit dabei sein. Selbstverständlich in Uniform, nicht im Kostüm.