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Enrico gibt den Ton an
Früher grölte er auf Rockkonzerten, heute singt Enrico Krell im Männerchor. Über eine Wette mit Freunden landete der R+V-Mitarbeiter bei der Harmonie Bernbach – und entdeckte sein Stimmtalent.
von Joscha Denzer
Es ist kalt an diesem Dezemberabend in der Bartholomäuskirche. Doch die katholische Gemeinde im kleinen Örtchen Bernbach-Freigericht ist mit 280 Personen bis auf den letzten Platz gefüllt – und das hat einen Grund: Heute findet eines der begehrten Adventskonzerte der Harmonie Bernbach statt. Für Ortsansässige ein absoluter Pflichttermin. Mittendrin Enrico Krell, der im ersten Tenor die besonders hohen Töne anstimmt. Dass er einmal hier stehen und singen würde, hätte er selbst vor ein paar Jahren wohl kaum geglaubt.
„Früher konnte ich nicht mal Noten lesen“
„Eigentlich war ich nie sonderlich musikalisch“, sagt Krell und muss selbst etwas lachen. „Früher habe ich im Stadion beim SV Werder Bremen, bei Rock am Ring, den Red Hot Chilli Peppers oder Ramstein auf Konzerten mitgegegrölt. Ich konnte nicht mal Noten lesen“, erinnert sich der R+V-Mitarbeiter. Krell ist in Gießen aufgewachsen, hat lange in Frankfurt gearbeitet und ist über seine Frau schließlich nach Bernbach im Main-Kinzig-Kreis gekommen. Hier fühlt sich der zweifache Familienvater, der früher als Hobby-Fußballer seine Einkommen aufbesserte, inzwischen heimisch.
Das runde Leder und der Gesang – diese beiden Dinge spielen auch in der kleinen Gemeinde zwischen Frankfurt und Fulda eine große Rolle. „Hier ist jeder entweder bei den Fußballern des SV Bernbach oder bei den Sängern der Harmonie“, sagt Enrico Krell. Da sein Knie nicht mehr so richtig wollte, war der Sport für ihn irgendwann Vergangenheit. Eine Wette auf einer silbernen Hochzeit sorgte dafür, dass er zu einer Probestunde bei den Chorsängern auftauchte.
Dank Mentor vom Bass zum Tenor
„Ich probiere gerne neue Dinge und dachte mir: Geh halt mal hin.“ Eine Entscheidung, die er nicht bereut: „Anfangs wurde ich beim Bass eingesetzt, bei den ganz tiefen Stimmen. Dort stellte sich aber schnell raus, dass ich in die Tenorstimme soll. Ich bekam einen Mentor an die Seite, der mir empfahl, ruhig die noch höheren Töne zu singen und so landete ich im ersten Tenor.“ Am Ende des Abends war Enrico begeistert. „Mir war sofort klar, dass ich weiter singen möchte.“
Heute ist der 41-Jährige ein festes Mitglied des mehr als 60-köpfigen Männerchores. Das Notenlesen hat er sich längst beigebracht und die Kopfstimme beherrscht er mittlerweile aus dem Effeff. „Ich hätte das nie gedacht, aber ich habe da wirklich mein Talent entdeckt.“ Sein Hobby ist ein unverzichtbarer Ausgleich zu seinem Job im Außendienst als Firmenkundenberater Vorsorge. „Beim Singen muss man so fokussiert sein, da kann ich komplett abschalten.“
Alte Zigarrenfabrik wird neuer Proberaum
Auch über den Gesang hinaus engagiert sich der gebürtige Thüringer in seinem Verein. Während der Corona-Pandemie, als die Sänger musikalisch kürzertreten mussten, hat die Harmonie Bernbach eine alte Zigarrenfabrik im Ort gekauft und in liebevoller Arbeit restauriert.
Besonderes Schmankerl: Vor über 140 Jahren trafen sich dort die Gründerväter des Vereins erstmals zum musikalischen Stelldichein. Inzwischen ist das historische Gebäude mit großem Festsaal zur kultigen Begegnungsstätte für Jung und Alt im Ort geworden: Die sogenannte „Klangfabrik“ vereint Proberaum, Bar und Veranstaltungszentrum in einem.
Auch nach dem Adventskonzert pilgerten Sänger und Konzert-Gäste noch gemeinsam von der Kirche in die Klangfabrik – ein vorweihnachtlicher Ausklang der besonderen Art.