20Mai2022 Kollegen privat

    Eine sehr emotionale Herzenssache

    Unser Kollegen Nico Schnabel hilft schwerstbehinderten Heimkindern in Ungarn und das schon seit Jahren. Im Oktober startet wieder ein Konvoi Richtung Ungarn. Woher nimmt er die Motivation?

    Von Inge Neudahm

    ​Ein neues Paar Schuhe, eine warme Winterjacke, Jeans und Shirts, Unterwäsche, Bettwäsche, Matratzen, Hygieneartikel von der Zahnbürste bis zu Windeln, eine Tonne Waschpulver, eine große Industrie-Waschmaschine und auch die Reparatur des Traktors – diese großen und kleinen Spenden werden jedes Jahr im Herbst sehnsüchtig erwartet von den 120 körperlich und geistig schwer- und schwerstbehinderten Kindern sowie ihren Pflegern im Kinderheim in Barcs an der kroatisch-ungarischen Grenze. Denn alljährlich im Oktober macht sich der „Helferkreis Hilfskonvoi Kinderheim Barcs“ aus dem brandenburgischen Buckow-Lindenberg, circa 60 Kilometer östlich von Berlin, auf den rund 1.100 Kilometer langen Weg nach Ungarn - mit hunderten Kisten und Säcken mit Sachspenden sowie Großspenden.

     

    Kinderaugen zum Leuchten bringen

    Einer der Organisatoren der Spendensammlung mit anschließendem Hilfstransport ist Nico Schnabel, Lernarchitekt in der Abteilung Training und Entwicklung Vertrieb in Wiesbaden und dort zuständig für die Konzeption der Firmenkundenberater-Ausbildung. Seit 2007 engagiert sich der gebürtige Brandenburger für die ungarischen Kinder. „Unser Ziel ist es, mit dieser Hilfe Kinderaugen zum Leuchten zu bringen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kinderheim in ihrer Arbeit zu unterstützen. Es fehlt dort an allem, was für uns so selbstverständlich ist. Wer von Ungarn spricht, der meint meist Budapest oder den Balaton (Plattensee). Kommt man jedoch nur wenige Kilometer weiter ins Landesinnere, bietet sich ein anderes Bild. Nicht, dass die Menschen hier schlecht leben - aber von sozialer Sicherheit kann bei weitem nicht die Rede sein. Nach dem Fall der Sowjetunion änderte sich hier nicht viel. Mehr denn je fehlt vor allem staatlichen Einrichtungen oft das Geld. Leidtragende sind besonders die sozialen Minderheiten: Behinderte, alte Menschen und Sinti und Roma“, erklärt Nico Schnabel. Zu den Sinti und Roma zählen auch rund zwei Drittel der Kinder im Heim in Barcs. Viele wurden von ihren Eltern einfach dort „abgegeben“, sie kümmern sich nicht mehr um sie, sind zu arm, überfordert mit einem behinderten Kind und hoffen, dass ihr Nachwuchs im Heim gut versorgt wird. Auch behinderte Waisenkinder leben im Heim.

    Die Spenden des Helferkreises lindern ein wenig die materielle Not – „es gibt keine staatliche Unterstützung für Kinderkleidung“ -, die körperlichen Gebrechen der Kinder können dort nur rudimentär versorgt werden. „Wenn wir im Herbst vor Ort sind und mit neuen Helfern einen Rundgang durchs Heim machen, kommen auch gestandenen Männern und Frauen die Tränen angesichts des Elends dort. Viele Kinder haben schwerste Krankheiten und Behinderungen, die nur notdürftig behandelt werden“, sagt Nico Schnabel. „Danach ist man geerdet, dann erschüttert einen so leicht nichts mehr. Wir jammern hier in der Heimat meist auf sehr hohem Niveau.“

     

    100 Prozent der Spenden kommen bei den Bedürftigen an

    Der Helferkreis sammelt das ganze Jahr über Sachspenden in Brandenburg. Geldspenden werden ebenso benötigt. Von diesen werden beispielsweise der Lkw und die Transportkosten finanziert. „Wenn wir Geld erhalten, kaufen wir davon auch Dinge, die das Heim braucht. Oder zahlen zum Beispiel die Reparatur des Traktors des Heimes, der für den Transport von Brennmaterial gebraucht wird“, erklärt Nico Schnabel. Mit Geldspenden deckt der Verein zudem die Kosten der Hilfskonvois ab. „Bei uns kommen 100 Prozent der Sach- und Geldspenden bei den Bedürftigen an. Wir helfen direkt und unbürokratisch“, betont Nico Schnabel. „Das wissen die Leute hier in Süd-Ost-Brandenburg. Wir sind sehr bekannt in der Region. Die Mitbürger fragen immer schon, wann der nächste Hilfskonvoi startet.“ Aber nicht nur mit Geld- und Sachspenden hilft der Helferkreis. Wenn die Mitglieder vor Ort sind, unterstützen sie auch die personell durchgehend unterbesetze Belegschaft bei allen alltäglichen Arbeiten im Heim und mit den Kindern.

     

    Kontakt kam über ungarisches Rotes Kreuz

    Seit 1996 ist der Helferkreis aktiv für Barcs und feierte 2021 sein 25-jähriges Bestehen. Gegründet wurde er 1994 in der evangelischen Kirchengemeinde Neuzelle-Möbiskruge als Helferkreis für Flüchtlinge im Kriegsgebiet von Kroatien und Bosnien. Da die Transporte dorthin zu gefährlich wurden, musste der Helferkreis seine Aktivitäten nach zwei Jahren neu ausrichten. Durch eine Kontaktvermittlung des ungarischen Roten Kreuzes entstand die Zusammenarbeit mit dem Kinderheim in Barcs. Mit bis zu 17 Kleintransportern machten sich die Helfer anfangs auf den langen Weg, rund zwölf Stunden dauert die Fahrt. Seit 2014 nutzt der Helferkreis einen 40-Tonner-Lkw, „die Kleintransporter waren dem Spendenvolumen nicht mehr gewachsen. Und wir verbrauchen jetzt mit dem Lkw weniger Treibstoff.“

     

    Konvoi 2022 vom 20. bis 23. Oktober

    Organisiert und vorangetrieben werden die Spendensammlung und die Transporte derzeit von acht Helfern. Es waren mal über 25 Leute, aber viele haben in den letzten Jahren aus Alters- oder gesundheitlichen Gründen aufgehört. Da viele der ausgeschiedenen Mitglieder dem Gemeindekirchenrat Neuzelle in Brandenburg angehörten, verlor der Helferkreis Verein mit ihrem Ausscheiden 2021 auch seinen Träger, der ihn bei vielen organisatorischen Dingen unterstützte. Nico Schnabel und die verbliebenen Helfer machten sich auf die Suche nach einem neuen Träger und wurden in Buckow fündig. „Wir machen auf jeden Fall weiter und auch mit acht Mitstreitern lässt sich viel bewegen – im wahrsten Wortsinn“, ist sich Nico Schnabel sicher. Der Hilfskonvoi 2022, der vom 20. bis 23. Oktober unterwegs sein wird, fährt nun unter neuer Trägerschaft, aber mit unverändertem Engagement – weiterhin „eine sehr emotionale Herzenssache für alle Teilnehmenden.“

    Impressionen

    Die Kinder mit einer Krankenschwester vor dem Heim.

    Die Helfer aus Deutschland werden freudig begrüßt.

    Der Lkw mit den Hilfsgütern ist sicher in Ungarn angekommen. 100 Prozent der Geld- und Sachspenden kommen bei den Bedürftigen an.

    Kinderkleidung, Hygieneartikel, matratzen, Bettwasche, Waschpulver oder eine komplette Industrie-Waschmaschine - in Barcs wird alles gebraucht.

    Weitere Informationen über den Helferkreis und die benötigten Sach- und Geldspenden gibt es auf