08Mär2021 Kollegen privat

    „Ich habe für mich einen Weg gefunden – ich nenne ihn: gesunder Realismus“

    Zum Weltfrauentag: Ein Gespräch mit Vorständin Nina Henschel – von Mutter zu Mutter.

    Von Funda Dogan

    Als berufstätige Mama von drei Kindern kriege ich es inzwischen gut hin – doppelt Homeschooling, Homeoffice und die Einjährige mittendrin. Die Kids wissen inzwischen was eine Telko ist, platzen nicht mehr in jede Videokonferenz und ich bin geübt in Minusrechnen mit Zehnerübergang und Schreibschrift.

    Es gibt aber auch jene Tage, an denen es nicht so rund läuft – wenn die Tochter weint, weil sie ihre Freunde vermisst, der Sohn kein Homeschooling (mit Mama) will und ich drei Telkos am Stück habe, während die Kleinste im Hintergrund quengelt!

    Und genau an jenen Tagen frage ich mich – wie es eigentlich die anderen berufstätigen Mütter machen? Zum Beispiel – Nina Henschel. Sie arbeitet Vollzeit als Vorständin der Krankenversicherung und ist Mutter von zwei Kindern. Gesagt getan. Ich frage sie für ein Interview an und bekomme prompt eine Zusage.

    R+V-Krankenvorständin Nina Henschel mit ihren Kindern.

    Frau Henschel, Sie sind Vorständin, Mutter von zwei Kindern und ganz nebenbei noch Vorstandsmitglied der Stiftung Gesundheitswissen, im Beirat des AMC und kommissarische Bereichsleiterin. Wie schaffen Sie das alles unter einen Hut zu bekommen?

    Indem ich Dinge, die ich parallel machen kann, auch parallel mache. Zum Beispiel sitze ich in diesem Moment auf meinem Lastenrad, mit dem ich meine Töchter grade an der Schule und im Kindegarten abgesetzt habe. Jetzt stehe ich vor der Kita und telefoniere mit Ihnen, damit unser Gespräch pünktlich losgehen kann.

    Frau Henschel – Sie sind ja nicht „nur“ Vorständin, sondern haben auch noch viele andere verantwortungsvolle Posten – Sie haben doch sicher einen Termin nach dem anderen – wie schaffen Sie es, auch noch ihre Kinder wegzubringen? Da hab´ ich ja schon Schwierigkeiten mir Termine zum Wegbringen und Abholen zu blocken?!

    Ich bringe und hole meine Kinder nicht jeden Tag von der Schule, wir haben zum Glück Unterstützung durch die Familie. Ich habe großes Glück, dass meine Mutter mich sehr unterstützt, ohne sie wäre ich echt aufgeschmissen. Auch meine Schwiegereltern versuchen, die Kinder einmal in der Woche abzuholen, obwohl sie über 80 sind (während Corona ist das allerdings aktuell etwas eingeschränkter). Und einmal in der Woche erledigt das mein Mann. So teilen wir uns auf und fördern den Zusammenhalt über alle Generationen – davon profitieren dann alle.

    Ich habe für mich einen Weg gefunden – ich nenne ihn: gesunder Realismus. Ich hole meine Kinder nicht 5 Tage die Woche um 16 Uhr aus dem Kindergarten ab. Das schaffe ich schlichtweg nicht. Aber für mich ist es super wichtig und auch fest im Kalender geblockt, dass ich sie 2 Mal in der Woche abhole. Es ist ja auch nicht so, dass ich sie Fremden überlasse. Meine Kinder sind die Großfamilie gewöhnt und das finde ich schön genau wie die Kids und die Großeltern. Ich will meine Kinder sehen, wie alle anderen auch – gehe Eisessen oder auf den Spielplatz und neuerdings auch gerne mal shoppen, wenn endlich die Geschäfte wieder öffnen – und ich glaube, ich kann auch meinen Job ganz gut machen. Und der ist für mich auch absolut wichtig. Ich möchte einfach weitergeben, dass beides geht – Kind und Karriere!

    Ist das auch in Ordnung für Ihre Töchter?

    Meine Kinder wissen genau, dass ich immer für sie da bin, wenn sie mich brauchen und dass ich sie an zwei Tagen pro Woche fest abhole. Und ich bin auch da, wenn sie wichtige Termine haben. Zum Beispiel singt meine Tochter im Chor und bei ihren Auftritten bin ich dabei. Vielleicht bin ich nicht bei jeder Bastelstunde im Kindergarten immer vor Ort, aber wenn es drauf ankommt, bin ich da. Aber ich kann nicht überall dabei sein, davon habe ich mich verabschiedet.

    Ich kenne es von mir, dass ich nur schwer mein schlechtes Gewissen loswerde, entweder meinen Kids oder meiner Arbeit gegenüber – wie vereinbaren Sie Familie und Karriere im Kopf?

    Ich kenne das Gefühl nur zu gut. Und ich sage Ihnen, man muss sich von diesem schlechten Gewissen verabschieden. Sonst hat man das Gefühl permanent: mal dem Job gegenüber, wenn Du Zeit mit deinen Kindern verbringst oder den Kindern gegenüber, wenn Du was für den Job tust. Und darum sage ich: gesunder Realismus!