08Okt2020 R+V engagiert sich

    Balkonpflanzen gegen die Tristesse

    Wiesbadens Balkone sollen grüner werden! Unter diesem Motto gründeten Jugendliche Ende 2019 mit Hilfe der R+V Hessens erste Schülergenossenschaft – und dann kam Corona. Hier erzählen die Schüler, wie sich ihr Geschäft entwickelt hat.

    Von Eva Kuschfeldt

    Die Mitglieder der Genossenschaft „Green Leibniz eSG“ gehören wohl zu den jüngsten Unternehmern des Landes. Einige gehen gerade einmal in die sechste Klasse – und auch im Vorstand ist niemand älter als 16 Jahre. Benannt haben sie sich nach ihrer Schule, dem Leibniz-Gymnasium im Wiesbadener Westend. Der Zusatz „Green“ steht für ihre Geschäftsidee: Die Balkone von älteren und wenig mobilen Wiesbadenern zu begrünen.

    Mittlerweile zählt die Genossenschaft mehr als 100 Mitglieder. Bei ihrer Gründung im November 2019 hatte die R+V die Schüler mit Workshops und einer finanziellen Starthilfe unterstützt, seitdem organisieren sie sich selbst, unabhängig von Erwachsenen. Wie das funktioniert, erklären die Gründungsmitglieder Maurice Möbus (16), Joshua Scholz (15) und Julian Kurz (15) im Interview.
     

    Genossenschaften klingen verstaubt – wie kam es, dass ihr eine Schülergenossenschaft gegründet habt?

    Julian Kurz: Wir waren auch erstmal skeptisch – das Thema Schülergenossenschaft war mir persönlich bis vor etwa zwei Jahren kein Begriff. Dass wir jetzt trotzdem Genossenschaftsgründer sind, haben wir zwei sehr engagierten PoWi-Lehrern (PoWi = Politik und Wirtschaft) zu verdanken.

    Maurice Möbus: Von der R+V kam das Angebot, uns zu unterstützen – unsere Lehrer haben das Thema in den Unterricht eingebracht und die ersten Treffen organisiert. Ich habe mich in der Schule schon immer für wirtschaftliche Themen interessiert und wollte gern praktische Erfahrung sammeln. Deshalb war ich sofort dabei.

    Julian Kurz: Für meine Freunde und mich war auch direkt klar, dass wir uns das mal anschauen müssen. So kam es dann, dass wir zum Beispiel in Workshops bei der R+V sehr informativ aber auch gleichzeitig spaßig an das Thema Genossenschaft herangeführt wurden.

    Greenz Leibniz liefert den Kunden die Blumenkästen nach Hause.

    Ihr bietet einen Blumenkastenlieferservice an. Wie seid ihr auf diese Geschäftsidee gekommen?

    Joshua Scholz: Uns ist aufgefallen, wie trist und leer viele Balkone in unseren Nachbarschaften wirken. Wir haben überlegt, was die Ursachen dafür sein könnten – und sind zu dem Schluss gekommen, dass viele Menschen nicht in der Lage sind, ihren Balkon aufwendig zu bepflanzen – manche körperlich, andere zeitlich. Deshalb haben wir es uns zum Ziel gemacht, Wiesbaden grüner zu machen. Mit unserem Lieferservice wollen wir unseren Kunden unter die Arme greifen.

    Wie sieht denn eine typische Auslieferung bei euch aus?

    Maurice Möbus: Unsere Bestellungen gehen über unsere Website oder das analoge Formular ein und wir geben die Bestellung an unseren Kooperationspartner Blumen Bleker weiter. Einmal in der Woche holen wir dort die Kästen ab und fahren dann in Teams zu den Kunden – und dann bepflanzen wir zusammen den Balkon.

    Joshua Scholz: Uns war wichtig, dass wir den kompletten Kundenkontakt übernehmen. Wir organisieren uns deshalb auch so, dass wir immer mindestens zu zweit einen Kasten ausliefern.

    Green Leibniz bringt die Blumenkästen direkt am Balkon der Kunden an (Anm.: Das Bild wurde vor der Corona-Pandemie aufgenommen).

    Corona hat ja viele Firmen stark getroffen – wie hat die Pandemie euer Geschäft beeinflusst?

    Julian Kurz: Ich glaube, wir hatten es im Vergleich zu anderen Geschäftsfeldern noch ganz gut, weil wir mit Masken weiter ausliefern durften. Aber natürlich hat es uns auch geschadet. Wir wollten zum Beispiel mit Altersheimen zusammenarbeiten. Durch Corona war das bisher nicht möglich – die Gesundheit steht da natürlich an erster Stelle.

    Joshua Scholz: Es war im Lockdown auch viel schwieriger, die Genossenschaftsmitglieder zusammenzuhalten. Der Unterricht hat ja auch von Zuhause aus stattgefunden – unter den Bedingungen war zu den Genossenschaftstreffen nur der harte Kern dabei. Jetzt, wo man sich wieder eher persönlich treffen kann, hat sich das zum Glück geändert.

    Konntet ihr trotz allem auch für euch persönlich etwas mitnehmen?

    Joshua Scholz: Ich durfte einmal einer sehr alten Dame einen Blumenkasten bringen. Bei der Auslieferung hat ihr Gesicht gestrahlt vor Freude. Sie hatte sich schon immer so einen Balkon gewünscht – das war mein schönstes Erlebnis.

    Julian Kurz: Für mich war unsere erste Bestellung mit Auslieferung etwas ganz Besonderes! Dabei haben wir den ersten Umsatz eingefahren, was mich als Mitglied des Finanzteams natürlich besonders gefreut hat. Und natürlich unsere Gründungsfeier in der Aula – im Rahmen der Genossenschaft habe ich auch einige neue Freunde kennengelernt.

    Maurice Möbus: Es ist echt schön, wenn wir unseren Kunden eine Freude machen und mit den Pflanzen ihre Lebensqualität verbessern können. Egal wohin wir unsere Kästen liefern, treffen wir interessierte Leute, die unsere Idee unterstützen. Das hat mich und uns alle unfassbar motiviert weiterzumachen.

    Der Herbst steht vor der Tür – damit gehen auch die Blumenkästen in den Winterschlaf. Wie geht es die nächsten Monate weiter?

    Maurice Möbus: Die Blumenkastensaison geht jetzt langsam zu Ende, deshalb wollen wir im Winter gerne weihnachtliche Produkte aus einer Behindertenwerkstatt verkaufen. Wir klären dazu gerade die Möglichkeiten mit einem neuen Kooperationspartner ab. Im Frühling wollen wir den Blumenkastenlieferservice aber sogar um ein Produkt ergänzen: Uns ist aufgefallen, dass viele Personen auch Interesse daran haben, ihre Blumenkästen selber zu bepflanzen. Deshalb wollen wir einen Service anbieten, bei dem wir alle Bestandteile zum Selbstaufbauen liefern.