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Ärztegenossenschaft als Mittel gegen den Landarzt-Mangel
Im Finanzwesen, im Wohnungsbau und in der Landwirtschaft sind Genossenschaften weit verbreitet. Im Energiesektor sind sie stark im Kommen, und jetzt werden auch Mediziner zu Genossen. Die R+V spielt dabei eine zentrale Rolle.
Von Gaby Buschlinger
25 Jahre lief „Der Landarzt“ im Fernsehen. 2013 setzte das ZDF die Serie ab und postete auf Facebook: „Cut! Der Landarzt ist abgedreht. Für immer.“ Ein solcher „Cut“ drohte auch Dr. med. Michael Jager, einem realen Landarzt aus Bitburg. Der 65-Jährige fand in der idyllischen Eifel einfach keinen Nachfolger für seine Praxis, die er seit 27 Jahren führt.
Der Grund laut Jager: „Die nachfolgende Generation will flexible Arbeitszeiten, ein festes Gehalt und kein finanzielles Risiko oder gar eine persönliche Haftung bei Regressansprüchen der Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen wegen Budgetüberschreitungen.“ Der Arzt möchte sich gerne zur Ruhe setzen oder zumindest kürzertreten, mag aber seine Patienten nicht im Stich lassen. „Ich kann doch nicht die Tür zumachen und die Patienten wissen nicht, wo sie hinsollen.“

Aus zwei Landarztpraxen werden Ägivo und Medicus eG
Ähnlich ging es den beiden Allgemeinmedizinern Dr. Gerhard Wetzig, 62 Jahre, und Dr. Carl-Reinhard Albilt, 71 Jahre, aus dem 5.200-Einwohner-Dorf Lindenfels im Odenwald. Ihre Lösung ist „genial einfach“, wie Jager und seine engagierten Kollegen immer wieder betonen: Um junge Mediziner aufs Land zu locken, gründeten sie gemeinsam mit anderen niedergelassen Ärzten in ihren jeweiligen Regionen Genossenschaften.

Der Vorteil einer Ärztegenossenschaft: Die jungen Ärzte, die dazustoßen sollen, müssen nicht mehr das Risiko eingehen, auf Lebenszeit eine Praxis zu betreiben, sondern können Angestellte einer Genossenschaft werden. Es sind die ersten beiden Genossenschaften in Deutschland, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen als Trägerin eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) zugelassen wurden – und das erst in den letzten zwölf Monaten. Sie nennen sich Ägivo eG (kurz für Ärztegenossenschaft Gesundheitsversorgung im Vorderen Odenwald) und Medicus Eifeler Ärzte eG.

So einfach das klingt, so kompliziert war der Weg zur Ärztegenossenschaft, doch nach der Vermittlung durch die Volksbank Eifel eG suchte die R+V als Versicherer der Genossenschaftsbanken nach Möglichkeiten, das Regressrisiko und die Bürgschaftserfordernis abzusichern. Eine Regressschutzversicherung in Kombination mit einer Bürgschaft hatte die R+V bis dato gar nicht auf Lager. Alle Beteiligten mussten für dieses komplizierte Genehmigungsverfahren viel Geduld und Ausdauer mitbringen, doch die Mühe hat sich gelohnt: Gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen BL-Healthconsult schneiderte die R+V ein passendes Produkt, mit dem am Ende alle zufrieden waren.
Entspannteres Arbeiten als Genosse
Da immer mehr Landärzte sich dem Pensionsalter nähern, könnte das Genossenschafts-Modell für Medizinische Versorgungszentren zahlreiche Nachahmer finden. Jager war bereits erfolgreich und hat eine Kollegin in Teilzeit eingestellt. Sie war den Schichtdienst im Krankenhaus leid. Dass er inzwischen seine Praxis an die Medicus eG verkauft hat und nicht mehr Praxischef, sondern Angestellter ist, kann er verkraften: „Es ist jetzt ein viel entspannteres Arbeiten.“
Mittlerweile hat sich auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer ein Bild von Dr. Jagers genossenschaftlicher Praxis gemacht. Das Konzept überzeugt sie: „Für uns ist es ein großer Schritt in die Zukunft, dass mit der Medicus Eifler Ärzte eG. im Jahr 2018 das erste genossenschaftlich geführte medizinische Versorgungszentrum in Rheinland-Pfalz eröffnet wurde“, erklärte die Ministerpräsidentin. Dies sei ein wichtiger Meilenstein, die hausärztliche Versorgung im Land weiter zu verbessern.
Gut zu wissen
Regressschutzversicherung
Da Ärzte grundsätzlich selbst für die eigenen Fehler aufkommen – ob in der Diagnose oder Behandlung – haften sie hierzu mit ihrem Privatvermögen, wenn der Fall vor Gericht geht. Davor schützt eine Regressschutzversicherung.
Medizinische Versorgungszentren als eG
Praxisgemeinschaften und Netzwerke zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung sind meist Vereine, GmbHs oder BGB-Gesellschaften. Dass eine Genossenschaft als Trägerin eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) zugelassen ist, ist neu in Deutschland.
Praxen, die keine Nachfolger finden, werden von der Genossenschaft gekauft. Die Ärztegenossenschaften stellen Ärzte ein und übernehmen alle unternehmerischen Risiken.
Das Regressrisiko trägt die Genossenschaft und sichert es bei der R+V ab. Die Angst vor dem finanziellen Regress bei Überschreitung des Honorar- und Verordnungsbudgets hält junge Mediziner – die meisten Absolventen sind Frauen – davon ab, sich freiberuflich auf dem Land niederzulassen. Jedes Genossenschaftsmitglied ist gleichberechtigt und hat eine Stimme. Mitglieder könnten nur zugelassene Mediziner werden.