11Nov2022 Kollegen privat

    Auf „Pro“ sagt man „Secco“

    „Kollegen mal anders“: Für Melanie Brandenburg gibt es seit ihrer Kindheit kein Leben ohne Fastnacht.

    von Anja Schmidt-von Rhein

    Melanie Brandenburg (2.v.r.) ist Herz und Kopf hinter den Sitzungen des Carneval Verein Bierstadt.

    ​​​​​​​​Ob Fastnacht, Karneval, Fasching oder Fastelovend – es gibt viele Begriffe für die sogenannte schönste Zeit des Jahres. In Wiesbaden-Bierstadt, wo Melanie Brandenburg feiert, ist es auf gut Hessisch die „Fassenacht“. Beruflich ist sie Abteilungssekretärin im Zentralbereich Rückversicherung Gruppengeschäft, im Privaten ist sie mit Herzblut Sitzungspräsidentin des Carneval Vereins Bierstadt.

    Melanie Brandenburg ist eine Allrounderin – sie tanzt und schwingt das Bein fast im Spagat. Akrobatik inklusive. Sie moderiert, hält Büttenreden, heizt die Stimmung an und läuft die siebeneinhalb Kilometer beim Meenzer Karnevalsumzug in der Garde mit – auch bei Eis oder Schnee. Und sie organisiert alles rundherum. Alles ehrenamtlich. Bei anderen Fastnachts-Veranstaltungen wird sie selbst gebucht. Nur Singen ist absolut nicht ihr Ding.
     
    Ihre 48 Jahre sieht man ihr nicht an. „Schon in der 5. oder 6. Klasse habe ich im Gardekostüm mitgemacht – später habe ich gelernt, wie man Büttenreden hält“, erzählt sie. Die Fastnacht hält Melanie Brandenburg jung, sagt sie selbst. „Ich habe bis vor kurzem auch noch selbst getanzt. Aber jetzt treten schon die Freundinnen meiner Tochter in den Tanzgruppen auf – da war es Zeit, auch mal aufzuhören“, sagt sie und lacht.
     
    Mit Aufhören meint sie aber nur das Tanzen. Es bleibt auch sonst immer noch genug zu tun. „Ich bin Präsidentin des Gesamtvereins geworden.“ 

    Ein Jahr Orga-Arbeit für Jux und Dollerei

    Für manche dauert die närrische Zeit nur ein paar Tage. Melanie Brandenburg beschäftigt sie allerdings 365 Tage im Jahr. Die Organisation der Fastnacht beginnt für das „Bierstadter Mädsche“ direkt, nachdem die vorherige geendet hat.
     
    Welches Motto soll die Sitzung im nächsten Jahr haben? Wählt man politische Themen oder entscheidet sich für mehr Party-Feeling? Die Halle, der Wein und das Essen müssen gebucht, die Deko geordert und die Bestuhlung geplant werden. Die Rednerinnen und Redner sowie die Tanzgruppen gilt es früh zu reservieren, denn die Besten sind schnell weg. Wen lädt man ein? Wieviel Geld kann der Verein dafür bezahlen?

     

    17 Programmpunkte pro Sitzung

    Bis zu 17 Programmpunkte hat eine Sitzung am Abend. Alle aufeinander abgestimmt und in einen machbaren Zeitplan gepackt. Vom Orga-Team sind 25 Männer und Frauen mit im Saal – sie kellnern, kassieren, führen Regie. „Trotzdem passieren immer unvorhersehbare Dinge – etwa wenn der Büttenredner auf dem Weg von seiner Vorveranstaltung im Schneesturm stecken bleibt“, sagt Melanie Brandenburg.
     
    Motto-Sitzungen sind der Hit und müssen bis in die Details stimmen. Und bitte – die Verkleidung sollte natürlich passen. „Malle“ mit Wasserbällen, Handtüchern und Planschbecken. „Bierprobe“ mit Lederhosen, Bierkästen und Brezeln. „Traumschiff“ mit Kapitänen, „Burlesque“ mit flotten Hüpfern.  

    Damensitzung: Besondere Stimmung

    Es gibt im Verein auch eine Prunksitzung. Die Damensitzungen aber, erzählt Brandenburg, seien immer besonders mitreißend, es werde viel gelacht, die Stimmung sei spitze. Ihre Damensitzung – nur die „Mädscher“ dürfen teilnehmen – hat immerhin 180 Teilnehmerinnen. Die Karten sind begehrt.
     
    Die Stimmung ist hier besonders ausgelassen. „Die wollen Party und auch mal die Sau rauslassen“, weiß Brandenburg. „Sie schunkeln, tanzen auf den Tischen, Polonaise, alles.“
     
    In der Büttenrede dürfen Witze über Männer nicht fehlen. Dabei trinken die Damen immer noch viel weniger als die Herren, versichert Melanie Brandenburg. „Aber ganz klar: Wenn ich von oben ‚Pro‘ rufe, ist die einzige richtige Antwort aus dem Saal ‚Secco‘.“​​​

     

    Sicherheit ist das W​ichtigste

    Für 2023 stehen die Pläne fest:  Die Damensitzung am 11. Februar und die Prunksitzung am 21. Januar. Für den Verein ist das besonders großartig – denn 2021 und 2022 mussten die Sitzungen ausfallen. „Diese Absagen schmerzten enorm“, sagt die Bierstadterin. „Aber wir wollten ja auch nicht das zweite Heinsberg sein.“ Zur Erinnerung: Im nordrhein-westfälischen Kreis Heinsberg gab es im Februar 2020 nach einer Karnevalssitzung den ersten massenhaften Corona-Ausbruch in Deutschland. 
     
    Für die Damensitzung 2022 war bereits alles komplett vorbereitet – der Saal gemietet, die Deko geordert, Rednerinnen und Redner sowie Tanzgruppen für die Auftritte gebucht. Aber immerhin konnte alles für 2023 „gerettet“ werden. 
     
    „Einerseits müssen wir gut haushalten, andererseits die Halle voll bekommen – das Programm muss also attraktiv sein“, erläutert Melanie Brandenburg. Ein Männerballett mit Akrobatik-Einlagen zieht beispielsweise gut. Büttenrednerinnen oder Büttenredner verlangen schon mal bis zu 600 Euro pro Auftritt. „Wie viel da dranhängt, sieht von außen keiner – wenn es gut funktioniert“, sagt die Sitzungspräsidentin.
     
    Heute am 11.11., dem Auftakt der närrischen Saison, feiert sie einfach mal selbst – in Mainz!​

    Impressionen

    Auf „Pro“ gibt es nur eine richtige Antwort: „Secco“.

    Hoch das Bein! Melanie Brandenburg als 2. von links tanzt und sorgt für Stimmung. High Heels? Kein Problem!

    Tanzgruppe bei der „Malle“-Party. Ganz links sitzend: Melanie Brandenburg.