10Mai2022 Kollegen privat

    Von der Leiche bis zur Haremsdame

    Kollegen mal anders: Verschiedene Rollen zu spielen, ist für Natalie Peine kein Problem. Sie ist Statistin am Staatstheater Wiesbaden.

    Von Celine Göbbels

    Tagsüber Büro, abends Theater. So sehen viele Tage von Natalie Peine aus. Seit knapp einem Jahr ist sie im Ressort ZH für das Thema Beruf und Familie zuständig. Nach Feierabend fühlt sich die 44-Jährige zwischen Kostümen, Kulissen und Komparsen pudelwohl. Deshalb steht sie seit nunmehr 13 Jahren regelmäßig auf der Bühne des Hessischen Staatstheaters in Wiesbaden.

    Natalie Peine ist Statistin. Das Theater hat sie schon immer begeistert: „Die Theaterwelt ist eine Welt für sich. Hier treffen verschiedene Kulturen, Künste und Professionen aufeinander. Alle eint dabei die Hingabe zum Theater“, erzählt sie. Von einer Leiche über eine Krankenschwester bis hin zur Haremstänzerin ist sie schon in die verschiedensten Rollen geschlüpft. Inzwischen ist ihre gesamte Familie mit dem Theatervirus infiziert. Auch ihr Mann und die beiden Kinder sind regelmäßig als Statisten im Schauspiel oder in Opern zu sehen.

    Statistin ist ein harter Job

    Statist sein, das ist eine oft anstrengende, aber auch faszinierende Aufgabe. „Es gibt ja das Klischee, dass man einen Baum oder einen Stein mimt“, berichtet Natalie Peine. Allerdings seien solche Rollen schon lange Vergangenheit. Inzwischen brauche es zum Statist sein einiges mehr: Neben eiserner Disziplin vor allem schauspielerisches Talent und körperliche Fitness. Denn oft  gehört es zum Beispiel dazu, zu rennen oder zu tanzen. Die Männer müssen teilweise auch auf der Bühne beim Umbau mit anpacken. Eigene Castings für die Statisterie sind nicht ungewöhnlich.  

    Aber der Einsatz lohnt sich, denn im Vergleich zum Zuschauer hat es einen entscheidenden Vorteil, hinter den Kulissen zu arbeiten: Die gesamte Entstehungsgeschichte eines Stücks lässt sich mitverfolgen - von der leeren Bühne bis zur fertigen Inszenierung. „Man glaubt gar nicht, was wenige Tage vor der Premiere noch alles fehlt“, sagt Natalie Peine lachend. Bis zur Generalprobe müsse dann aber alles stehen. Darum sind absolute Teamarbeit und Professionalität Pflicht. Kunst kommt schließlich von Können. Ein Beispiel: Falls die Requisiteurin den Dolch vergisst, der am Ende zum tragischen Tod der Opernsolistin führen soll, dann wäre das gesamte Stück ruiniert. „Wenn man bei einer Oper von einem 50-köpfigen Chor umringt ist und angesungen wird – das sorgt immer wieder für Gänsehaut und manchmal auch für ein paar Tränchen“, berichtet die 44-jährige.

    Missgeschicke auf der Bühne

    Zum Theatergeschäft gehören aber auch Pleiten, Pech und Pannen. „Da passiert immer mal was“, gesteht Natalie Peine. Ab und an fehle auch der ein oder andere Statist, der beispielsweise mit dem Spielplan durcheinandergekommen sei. Es gibt aber auch andere Gründe: „Einmal habe ich meinen Auftritt verpasst – ich hatte mich im großen Staatstheater-Gebäude verlaufen“, erzählt Peine: „Nach 13 Jahren kenne ich mich inzwischen aber recht gut aus.“

    Statisten müssen außerdem flexibel sein. So kommt es öfter zu kurzfristigen Einsätzen, um kranke oder fehlende Kollegen zu ersetzen. Ab und zu ergeben sich so auch lustige Situationen: Als Krankheitsersatz musste Natalie Peine in der Oper „Tristan und Isolde“ nicht nur einspringen, sondern wortwörtlich auch auf der Bühne springen – und zwar in ein Grab. „Es war ein großes Loch im Boden und eine schräge Matte, die ins Untergeschoss führte. Als Trauergast auf einer Beerdigung musste ich einen großen Schritt machen, damit die Zuschauer nicht sehen, dass ich nur ein kurzes Stück auf eine weiche Matratze falle“, schildert sie die Situation. „Da durfte ich vorher aber ein paar Mal probespringen.“

    Aktuell steht Natalie Peine in den Mozart-Stücken „Idomeneo“, „Entführung aus dem Serail“ und „Titus“ auf der Opernbühne. Alle drei Inszenierungen sind Teil der Internationalen Maifestspiele in Wiesbaden. Außerdem ist sie auch im Schauspiel „Drei Schwestern“ mit von der Partie. Gerade „Idomeneo“ werde ihr noch lange im Gedächtnis bleiben: „Die Musik ist wirklich wunderschön und die Inszenierung leider durch das Kriegsgeschehen hochaktuell.“

    Die Internationalen Maifestspiele in Wiesbaden

    Die Maifestspiele oder auch: Die Welt zu Gast in Wiesbaden. Bereits seit 1896 begeistern die Wiesbadener Theatermacher mit einem besonderen Programm im Mai ihr Publikum. In diesem Jahr gibt es noch bis zum 31. Mai ein buntes Potpourri von der klassischen Oper über Konzerte und Schauspiel bis zum modernen Tanz und Lesungen.​

    ​Mehr Infos gibt es auf der Webseite des Hessischen Staatstheaters​.