17Okt2023 Kollegen privat

    Non plus Ultimate

    Sie ist Aktuarin und nebenbei auch Europameisterin. Helen Große-Brauckmann feiert mit der Frauen-Nationalmannschaft den Gewinn der Ultimate-Frisbee-Europameisterschaft in Irland.

    Von Dale Auchinleck

    Helen Große-Brauckmann spielt Ultimate Frisbee auf höchstem Niveau. „Ich habe mit 15 Jahren bei einem Schüleraustausch in den USA angefangen.“ Dort entstand die Sportart Ultimate Frisbee in den 1960er Jahren. Etwa zehn Jahre später breitete sich der Mannschaftssport nach Europa aus und blieb dennoch eine Nische. Nur etwa 10.000 aktive Spielerinnen und Spieler in rund 200 Vereinen gibt es in Deutschland (zum Vergleich: im Fußball sind es etwa 2,2 Millionen). Bis heute wird der Flugscheibensport schwerpunktmäßig in den USA und Kanada betrieben.

    Profisport – ganz ohne Schiedsrichter​

    Beim Ultimate Frisbee spielen zwei Mannschaften mit jeweils sieben Feldspielern gegeneinander. Um einen Punkt zu erzielen, versucht man, ähnlich wie beim American Football, das Frisbee in der gegnerischen Endzone zu fangen. Allerdings darf man mit dem Frisbee nicht laufen und es bis zu zehn Sekunden festhalten, bevor man passt. Körperkontakt ist nicht erlaubt. Gespielt wird auf einer ebenen Rasenfläche, beispielweise einem in der Breite halbierten Fußballfeld, oder in einer Halle. Dazu müssen nur Endzone und Feldbegrenzungen aufgebaut werden.

    Ultimate Frisbee wird ohne externen Schiedsrichter gespielt. Die Verantwortung liegt bei den Spielerinnen und Spielern, die untereinander auf die Regeleinhaltung achten. Das Regelwerk ist auf dieses System ausgelegt, doch Bestrafungen sind für Regelverstöße nicht vorgesehen. Trotzdem träten absichtliche Regelverstöße selten auf. „Es ist ein Ziel, die Regeln einzuhalten“, erklärt Große-Brauckmann. Sie habe zwar schon schlechte Erfahrungen gemacht, doch sie würde das System trotzdem immer befürworten, da das Positive überwiege.

    Siegerehrung der Frauen-Nationalmannschaft zum Gewinn der Ultimate-Frisbee-Europameisterschaft 2023 in Irland
    Vom Hochschulsport zur Europameisterin

    Mit 16 begann Große-Brauckmann ihre Laufbahn in Deutschland beim Hochschulsport in Darmstadt. Ein später Einstieg? Große-Brauckmann widerspricht: „Im Ultimate Frisbee sowie auch in vielen anderen Randsportarten ist der Jugendbereich sehr klein. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, dass man dort erst in der Mittelstufe oder zu Studienbeginn einsteigt.“

    Zurzeit trainiert sie beim Verein Feldrenner Disc Sports in Mainz, mit dem sie vier Jahre in Folge Deutsche Meisterin wurde. Die Ultimate-Liga findet an zwei Spielwochenenden statt, bei denen die besten Mannschaften Deutschlands zusammenkommen und um den Titel kämpfen. „Es heißt zwar Liga, aber eigentlich ist es ein großes Turnier“, merkt Große-Brauckmann an.

    Um weiter oben mitzuspielen, trainiert sie zweimal die Woche Ultimate Frisbee im Verein. Hinzu kommen diverse Kraft- und Laufeinheiten sowie viele Trainingswochenenden mit der Nationalmannschaft, für die sie durch ganz Deutschland reist. „Der Hauptstandort der Nationalmannschaft ist zwar in Darmstadt, doch die Lehrgänge finden immer an unterschiedlichen Orten statt, damit jeder mal eine kürzere und mal eine längere Anreise hat.“ Ein recht großer Aufwand, wenn man bedenkt, dass sie bei der R+V seit einem Jahr tätig ist und zwar als Aktuarin in der passiven Rückversicherung.

    Gefühl gefragt: Volle Konzentration beim Abwurf...

    Große-Brauckmann durchlief ab der U20 alle Jugendnationalmannschaften bis hin zur A-Nationalmannschaft. Keine einfache Aufgabe, denn für jedes größere Turnier muss man sich neu für die Nationalmannschaft qualifizieren. Bei sogenannten Try-Outs trainieren die besten Spielerinnen und Spieler Deutschlands zusammen. Am Ende entscheidet das Trainerteam, wen sie im nächsten Turnier aufstellen. Das erfordert maximale Leistungsbereitschaft. „Die Breite an Spielerinnen und Spielern ist zwar kleiner als beim Fußball, aber ins Nationalteam kommen nur die, die bereit sind, alles dafür zu geben“, stellt Große-Brauckmann klar.

    Bereits 2013 wurde die damalige Schülerin Europameisterin mit der U20 Nationalmannschaft. Doch das stillte ihren Drang nach Titeln nicht. „Es war schon immer mein Ziel, mit der Frauennationalmannschaft Europameisterin zu werden.“

    Zehn Jahre hatte ich dieses Ziel im Kopf und plötzlich hatten wir es geschafft."
    Helen Große-Brauckmann
    Aktuarin der R+V in der passiven Rückversicherung
    ...damit der Pass auch bei der Mitspielerin ankommt.

    Es sollte ein holpriger Weg werden, denn 2019 „schieden wir ganz bitter im Viertelfinale aus. Ich hatte danach noch zwei Wochen lang Bauchschmerzen.“

    Im Juli dieses Jahres hatte sie dann die Chance, neu anzugreifen. „Wir waren ein neu zusammengestelltes Team. Der Einzige, der wusste, was wir erreichen können, war unser Trainer.“ Große-Brauckmann wurde das erst nach dem überstandenen Viertelfinale klar. „An dem Punkt war ich mir einfach sicher, dass wir gewinnen werden.“ Im Finale gegen Großbritannien begegneten sich die Mannschaften auf Augenhöhe.

    Durch einen starken Endspurt konnte sich das deutsche Team den knappen Sieg sichern. „Zehn Jahre hatte ich dieses Ziel im Kopf und plötzlich hatten wir es geschafft. Das Gefühl ist unbeschreiblich! Gewinnen macht einfach so viel mehr Spaß.“​

    Und was kommt jetzt?

    Doch auch nach dem Europameisterti​tel denkt sie nicht ans Nachlassen. „Mein Traum ist die Teilnahme an einer weiteren Weltmeisterschaft und dort vielleicht sogar eine Medaille mitzunehmen.“ Und nach ihrer Karriere als Spielerin? „Wenn ich nicht mehr spielen kann, würde ich gern irgendwann die U24 Nationalmannschaft coachen, weil das eine spannende Altersgruppe ist.“ Trainerin der U17 war sie bereits.

     

    Mehr zu Ultimate Frisbee

    Hier geht es zur Homepage des Deutschen Frisbeesport-Verbands​.
    Dort ist auch ein Vereinsfinder​.