Zwei Frauen sitzen auf roten Sesseln um eine Tisch und unterhalten sich.
    12Jan2024 100 Jahre

    Was Gründerinnen wirklich brauchen

    Ein Wiesbadener Verein hat mit Unterstützung der MissionMiteinander ein Mentorenprogramm für Gründerinnen aufgebaut. Warum beim Gründen ein neutraler Zuhörer mit nüchternem Blick so wichtig ist.​

    von Eva Kuschfeldt

    Eine junge Gründerin hat Schwierigkeiten mit ihrer Zeiteinteilung: Wann arbeitet sie kreativ, wann erledigt sie Papierkram? Eine junge Unternehmerin eröffnet währenddessen ihr eigenes Kunst- und Literaturcafé, kommt aber eigentlich aus einer beraterischen Tätigkeit. Wie kann sie den Herausforderungen der Handelsbranche gerecht werden? 

     

    Katja Streck sitzt auf einem Stuhl, hat ein Mikrophon in der Hand und hält einen Vortrag
    Streck ist der Kopf hinter den Knowhow-Angels. Hier berichtet sie auf dem Zukunftsfestival der R+V im Jahr 2022 über ihre Idee.

    Als Geschäftsführerin und Projektleiterin für Existenzgründung beim Wiesbadener Verein „BerufsWege für Frauen“ kennt Katja Streck viele talentierte und engagierte Existenzgründerinnen. Was vielen fehlt: Ein neutraler Gesprächspartner, der ihre Situation aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. „Es ist nicht wie im Angestelltenverhältnis: Sie haben keine Kollegen mehr gegenüber oder nebenan sitzen, die sie fragen können, wenn sie irgendwo nicht weiterkommen.“

    Mit ihrem Projekt „Knowhow-Angels“ schließt Streck diese Lücke: Sie bringt Frauen in der Existenzgründung mit freiwilligen Mentoren zusammen, die Lust haben, die Gründerinnen bei ihren persönlichen Herausforderungen zu unterstützen.

    „Das kann eine neutrale Meinung sein, die nicht aus dem persönlichen Umfeld kommt.“ Denn das Umfeld sei meistens voreingenommen. 

    Dabei geht es weder um fachliche Beratung noch um Dienstleistungen. „Eher um gesunden Menschenverstand und einen nüchternen Blick auf die Situation.“ Seit Beginn dieses Jahres läuft das Programm, die ersten Teilnehmer sind glücklich vernetzt. Das Fördergeld aus der MissionMiteinander hat der Verein für den Aufbau, die Organisation sowie Kommunikationsmittel wie Flyer und Website verwendet. Im Zuge der MissionMiteinander hatte die R+V im vergangenen Jubiläumsjahr insgesamt 1,6 Millionen Euro an soziale und gemeinnützige Projekte vergeben, die sich für eine bessere Zukunft einsetzen.

    Eine einzigartige Idee aus Wiesbaden

    Inspiriert ist die Idee der „Knowhow-Angels“​ vom international verbreiteten Konzept der „Business Angels“: Investoren, die Unternehmer in ihrer Gründungsphase nicht nur finanziell, sondern auch mit Branchenwissen unterstützen. Die Wiesbadener „Knowhow-Angels“ sind allerdings eine Neuerfindung von Katja Streck. Sie ist es auch, die die Tandems zusammenbringt – alles handverlesen, nach ihrem Empfinden. 

    Denn die Mentorinnen und Mentoren müssen mit ihren Schützlingen nicht unbedingt Erfahrungen aus der gleichen Branche teilen. Oftmals sind die Freiwilligen schon im Ruhestand – doch für Katja Streck gibt es keine Altersgrenze, um anderen Menschen in beruflichen Belangen zur Seite zu stehen. Deshalb ist auch eine sehr junge Mentorin im Programm, die mit viel Empathie und Fingerspitzengefühl auf den richtigen Mentee wartet. Ein anderer Mentor ist schon 80 Jahre alt und voller Tatendrang dabei. Er konnte schon mehreren Gründerinnen mit seinen Erfahrungen, seinem Netzwerk und seinen Ideen unterstützen.

    Nur 20 Prozent der Gründerinnen im Startup-Bereich sind weiblich"
    Katja Streck
    Geschäftsführerin beim Wiesbadener Verein „BerufsWege für Frauen“
    Zwei Frauen sitzen an einem Schreibtisch und betrachten eine Website auf einem Laptop
    Tandems aus Mentor und Mentee treffen sich erst in den Wiesbadener Räumlichkeiten von BerufsWege für Frauen e.V., später oft unabhängig vom Verein.
    Frauen gründen anders

    Obwohl oder gerade weil ihr Netzwerk-Programm sich ausschließlich an weibliche Gründerinnen richtet, holt Katja Streck auch Männer als Knowhow-Angels ins Boot – um eine „männliche Sicht“ auf die Geschäftswelt zu etablieren. „Die haben meist eher die Attitüde, einfach loszulegen und sich etwas zu trauen.“ Die Forschung stützt ihre These, denn zwischen den Geschlechtern klafft in der Gründerszene eine große Lücke: Frauen gründen seltener, finanziell zurückhaltender und meist in Teilzeit, weiß Katja Streck: „Nur 20 Prozent der Gründerinnen im Startup-Bereich sind weiblich, unter Existenzgründungen liegt der Wert aktuell bei 42 Prozent.“

    Bisher hatte Katja Streck ein gutes Gespür dafür, welche Tandems wirklich zusammen passen: Die Gründerin, die ein Problem mit ihrem Zeitmanagement hatte, wird nun von einer Meisterin der Organisation unterstützt: einer ehemaligen Vorstandssekretärin. Die angehende Besitzerin eines Literaturcafés hat indes über das Programm einen „Angel“ an die Hand bekommen, der selbst schon zahlreiche Selbstständigkeiten in verschiedenen Branchen aufgebaut hat. Geschichten wie diese möchte Katja Streck noch öfter schreiben. 

    Mentorinnen und Mentoren gesucht!

    Kennen Sie eine Frau in der Existenzgründung, die Unterstützung von einem Knowhow-Angel gebrauchen könnte? Oder einen potenziellen Mentor, der Lust auf ein Ehrenamt hat? Haben Sie sogar selbst Lust, Gründerinnen zu unterstützen? Motivierte Mentoren und Mentees warten noch auf das passende Match! Interessierte können sich per E-Mail an die Programmleiterin Katja Streck wenden. 

    Die MissionMiteinander und ihre Projekte​

    Die Knowhow-Angels sind eines von 339 Zukunftsprojekten der MissionMiteinander. Die R+V hatte zu ihrem 100. Geburtstag im Jahr 2022 insgesamt 1,6 Millionen Euro für Projekte bereitgestellt, die eine bessere Zukunft schaffen. Die 17.000 R+V-ler konnten für ihr Lieblingsprojekt abstimmen – und je mehr Kolleginnen und Kollegen einem Projekt ihre Stimme gegeben haben, desto höher fiel die finanzielle Unterstützung aus.​