15Dez2023 So ist R+V

    Mehr als nur ein Teilzeit-Vater

    Väternetzwerk bei der R+V gegründet: Väter wünschen sich eine neue, familienfreundliche Unternehmenskultur.

    Von Stefanie Simon

    Kita nicht zuverlässig, Unverständnis im Team, wenig Akzeptanz der Führungskraft – beim Kick-off des neuen Väternetzwerks der R+V sprachen die 230 meist männlichen Teilnehmer offen aus, wo sie der Schuh drückt. Wer seine Rolle als Vater ernst nimmt, wer sich gleichberechtigt mit der Partnerin um die Kinder kümmern will, findet es schwer, den Spagat zwischen Familie und Beruf zu meistern. Engagierte Väter haben sich nun im Väternetzwerk zusammen geschlossen, um für eine offene und anerkannte Vaterkultur bei der R+V zu werben.

    Vaterschaft und Karriere rücken in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus. Väter wünschen sich stärker als noch vor einigen Jahren eine partnerschaftliche Aufteilung in der Familie – auch bei der R+V. Das zeigte sich bei dem letzten Audit „berufundfamilie“ vor zwei Jahren: In verschiedenen Dialogsessions und Gesprächen mit den Mitarbeitenden stellte sich heraus, dass sich der Bedarf der Väter deutlich gewandelt hatte: Weg vom „Wochenend-Papa“ und Haupternährer, hin zum Vollzeit-Vater, der die Care-Arbeit in der Familie ebenso wichtig nimmt wie seinen Beruf.

    Daher setzt die R+V nun auf ein Netzwerk, in dem Väter sich zusammenschließen und austauschen können. Das Unternehmen setzt bewusst auf eine familienfreundliche Arbeitskultur. Für Mütter, aber eben auch für moderne Väter, die ihre Vorstellungen von Familie mit ihrer beruflichen Entwicklung vereinbaren wollen.

    Die sechs Gründungsmitglieder des Netzwerks stellten sich beim Kick-off vor: Sie haben Kinder in der Kita, Grundschule oder in der weiterführenden Schule. Einer versorgt seine pflegebedürftige Mutter, auch diese Care-Arbeit will das Netzwerk unterstützen. Sie arbeiten im Innendienst oder Außendienst, in Vollzeit oder Teilzeit, sind Fachexperten, Berater oder leiten Projekte.

    Sie kennen aus eigener Erfahrung die täglichen Probleme: das Jonglieren mit Arbeitszeiten, späte Termine im Büro, Abholen aus der Kita, Krankheiten der Kinder, steigende Belastung im Beruf, keine Großeltern in der Nähe. Sie haben mit ihren Partnerinnen diskutiert und den besten Weg gesucht: Wer übernimmt wann? Wer geht in Teilzeit? Wer kann ins Homeoffice switchen? „Es gibt keine Königslösung“, sagt Martin Junge aus dem betrieblichen Gesundheitsmanagement. Er hat zwei kleine Kinder, arbeitet 100 Prozent: „Man muss sich in einer Partnerschaft in allererster Linie aufeinander verlassen können und partnerschaftlich unterstützen.“

     

    Väter bei der R+V

    Die Väter bei der R+V können auf die langjährige Erfahrung von conpadres zurückgreifen, ein Väternetzwerk, das mittlerweile seit zwölf Jahren in zahlreichen großen Unternehmen ähnliche Initiativen begleitet. Auf der Internetplattform von conpadres finden die Väter Checklisten und Erfahrungsberichte von Vätern, Studien, Literatur über Erziehung, Führung, Trennung oder Personalarbeit.
    https://conpadres.de/

    Christoph Kahle ist Gründungsmitglied des Väternetzwerks. Der engagierte Vater und Projektmanager erzählt im Interview über kreatives Terminverschieben und wie für ihn die beste aller Welten aussieht.
    Interview

    Christoph Kahle ist Vater von zwei Mädchen. Als Chiara, heute sieben Jahre, geboren wurde, ging der Projektleiter für zwölf Monate in Teilzeit. Als er dasselbe zwei Jahre später wiederholen wollte, nach der Geburt seiner jüngeren Tochter Nora, war er Führungskraft in derselben Firma. Und plötzlich war Teilzeit nicht mehr erwünscht. Inzwischen ist er bei der R+V, als Projektmanager Digitalisierung und Operationsprozesse. Und engagiert sich als Gründungsmitglied beim neuen Väternetzwerk der R+V.

    Herr Kahle, wie sieht Ihr Familienalltag aus?

    Christoph Kahle: Wir haben zwei Kinder: Chiara geht in die zweite Klasse. Nora ist fünf Jahre alt und geht ins letzte Jahr der Kita. Sie hat gerade drei Wackelzähne. Ich arbeite heute Vollzeit, meine Frau 80 Prozent. Hier bei der R+V klappt das gut durch die neue Flexibilität, die wir durch Corona erlangt haben.

    Die Möglichkeit, teilweise im Homeoffice zu arbeiten, hilft sehr, um die geplanten Termine wie Arztbesuche oder das tägliche Holen und Bringen zur Kita, Schule oder Sportverein zu ermöglichen und gleichzeitig spontan auf Kitaschließungen o.ä. reagieren zu können. Da meine Frau als Führungskraft ebenfalls eine verantwortungsvolle Stelle innehat, müssen wir das gut organisieren.

    Wie sieht so ein Tag konkret aus?

    Kahle: Ich bin morgens für’s Bringen der Kinder zuständig, damit meine Frau früher anfangen kann und an den meisten Tagen die Kinder abholt. Nachmittags versuchen wir uns bestmöglich abzuwechseln, was dazu führt, dass jeder mal Zeit mit den Kindern verbringt, um dann am späteren Nachmittag oder Abend nochmal „nachzuarbeiten“.

     

    Wir müssen das gut organisieren“
    Christoph Kahle
    Projektmanager Digitalisierung und Operationsprozesse bei der R+V
    Und wenn eines der Mädchen krank wird?

    Kahle: Dann werden wir kreativ und fragen uns, wer welchen Termin schieben kann, wer im Homeoffice bleibt oder eben „kindkrank“ nimmt. Aber häufiger passiert es, dass die Kita früher zumacht, weil nicht genug Erzieherinnen und Erzieher da sind.

    Sie haben bei Ihrer ersten Tochter einige Monate Elternzeit genommen. Hat Ihr damaliger Arbeitgeber das akzeptiert? 

    Kahle: Ja. Nach der Geburt habe ich insgesamt zwölf Monate in Teilzeit gearbeitet. Meine Frau ist ab dem siebten Monat nach der Geburt wieder zwei Tage in der Woche ins Büro zurückgekehrt. Wir haben uns abgewechselt in der Betreuung unserer Tochter. Das hat gut funktioniert. Ich habe damals gelernt: Selten ist etwas auf der Arbeit so wichtig, dass es nicht einen Tag warten kann.

    Und beim zweiten Kind?

    Kahle: Inzwischen war ich selbst Führungskraft geworden. Und das war ein großer Unterschied: Es wurde mir sehr klar gemacht, dass es nicht begrüßt wird, wenn man als Führungskraft Teilzeit nimmt. Dabei hatte ich schon alles organisiert, hatte auch eine Vertretung. Ich habe die Elternzeit trotzdem genommen, aber nur vier Monate. Und habe das als Impuls genommen, mir einen neuen Arbeitgeber mit besseren Rahmenbedingungen zu suchen. So kam ich zur R+V.

    Die meisten Väter, sagt die Statistik, nehmen nur zwei Monate Elternzeit?

    Kahle: Ja, das stimmt. Das ist der Zeitraum, in dem noch Elterngeld gezahlt wird. Warum Väter nicht länger in Elternzeit gehen, kann viele Gründe haben. Vielleicht macht der Arbeitgeber Druck. Wenn die Frau deutlich weniger verdient, kann das ein Argument dagegen sein. Es ist eben eine sehr individuelle Entscheidung. Ich kenne viele Väter, die nur die Mindestzeit nehmen und in der Zeit dann die Wohnung renovieren oder man macht einen schönen Urlaub zusammen. Aber ich fand es besonders spannend, in dieser Zeit allein für unser Kind verantwortlich zu sein. 

    Warum engagieren Sie sich im Väternetzwerk?

    Kahle: Ich wünsche mir, dass es in der besten aller Welten vollkommen egal und akzeptiert ist, wer sich wann um die Kinder kümmert. Dass es unabhängig vom Geschlecht in Ordnung ist, wenn jemand mal einen Termin nicht wahrnehmen kann oder schnell wegmuss. Wie in Skandinavien, da gibt es einfach keine Termine mehr nach 15 Uhr.

    Die Kinderbetreuung durchläuft ja verschiedene Phasen. In den ersten Jahren steht man vollkommen im Feuer, dann gibt es mehr Freiheiten. Wenn meine kleine Tochter aus der Kita in die Schule wechselt, werde ich nicht mehr nach Hause müssen, weil die Erzieherinnen und Erzieher krank sind und die Kita schließt. Da ist sie zuverlässig bis zu einer bestimmten Zeit in der Schule. Daher wünsche ich mir ein Personalmanagement, das an den Lebensphasen orientiert ist.

    Wie kann das Väternetzwerk dabei helfen?

    Kahle: Wir hoffen, dass die Akzeptanz zunimmt – auf allen Hierarchieebenen. Dass es überhaupt kein Thema mehr ist mit der Kinderbetreuung, für Väter und für Mütter. Auch im Außendienst. Auch für schwule Väter. Dass man als Führungskraft Teilzeit nehmen kann. Oder umgekehrt, dass ich als Teilzeit-Mitarbeiter auch Führungskraft werden kann. So herum ist es meist schwieriger.

    Wir wollen ja gar nicht, dass jeder Vater jetzt in Elternzeit geht. Wir wollen nur, dass es möglich und akzeptiert ist. Dass die Anerkennung der Care-Arbeit Teil der Unternehmenskultur wird. Und das lohnt sich auch für die R+V, wenn die Attraktivität als Arbeitgeber steigt. 

    Gibt das Netzwerk denn auch konkrete Hilfestellung für die Väter – oder für werdende Väter?

    Kahle: Ja, wir geben in vielen Bereichen konkrete Hilfestellung. Bei diesem Thema sind die Männer einfach schlechter vernetzt als die Frauen. Wenn eine Frau Mutter wird, bekommt sie alle möglichen Informationen über ihre Möglichkeiten. Die Väter erfahren das oft gar nicht, wenn sie nicht gezielt nachfragen. Dabei bietet die R+V vieles an: Zum Beispiel fünf Tage frei, wenn die Kinder krank sind. Bei vollem Gehalt, die Krankenkasse würde dagegen nur bis 90 Prozent zahlen, allerdings das auch nur mit einem deutlich größerem Bürokratieaufwand.

    Wir wollen Erfahrungen austauschen, uns bei anderen Unternehmen informieren, wir wollen uns treffen. In Wiesbaden haben wir einmal im Monat einen Väter-Lunch organisiert, in Freiburg ist so etwas konkret in Planung und kann ja selbstorganisiert auch in Stuttgart oder Hamburg stattfinden.